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so umgesetzt wird, ist aber noch
offen.
Sowohl in güter- als auch erbrechtlicher
Hinsicht empfiehlt es
sich, dem überlebenden Ehegatten
mittels Teilungsregeln ein
Wahlrecht hinsichtlich der Auswahl
der konkreten Vermögenswerte
einzuräumen.6
Fallbeispiel 2: grosse
Einkommensunterschiede
Anders gestaltet sich die Situation
zuweilen bei grossen Einkommensunterschieden
oder im
Falle einer Zweitehe im fortgeschrittenen
Alter. Die Ehegatten
wollen für diesen Fall oft nicht,
dass dem anderen Ehegatten im
Falle einer Scheidung die hälftige
Errungenschaft zusteht.
Eine Möglichkeit besteht darin,
im Rahmen des gesetzlichen
Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung
für die Verteilung
des Vorschlags andere
Wertquoten festzulegen. Beispielsweise
kann bestimmt werden,
dass der sehr gut verdienende
Ehegatte vom gesamten
Vorschlag 80 % und der andere
20 % bekommt. Aber auch der
Vorschlag jedes Ehegatten kann
nach unterschiedlichen Quoten
aufgeteilt werden, sodass jeder
Ehegatte von seinem Vorschlag
80 % behält und der andere
20 % bekommt.7 Stattdessen
kann auch ein fester Betrag am
Gesamtvorschlag oder an den
Vorschlägen beider Ehegatten
vorgesehen werden, welcher einem
Ehegatten zukommen soll,
während der Rest beim anderen
Ehegatten verbleibt.8
RECHT & PRIVAT
Fallbeispiel 1: Meistbegünstigung
des überlebenden
Ehegatten
Ehegatten mit Kindern und Eigenheim
möchten sehr oft den
überlebenden Ehegatten für den
Fall des Ablebens des erstversterbenden
Ehegatten meistbegünstigen.
Die Überlegung dahinter
ist regelmässig, dass der
überlebende Ehegatte weiterhin
das gleiche Leben führen können
und nicht die Liegenschaft
zur Auszahlung der Erbteile der
Kinder verkaufen müssen soll.
Im Rahmen des gesetzlichen
Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung
besteht güterrechtlich
die Möglichkeit, für
den Fall des Ablebens eines
Ehegatten die Gesamtsumme
des Vorschlags beider
Ehegatten dem überlebenden
Ehegatten
zukommen zu lassen.
1 Dabei müssen
die Pflichtteile nicht
gemeinsamer Nachkommen
und deren
Nachkommen – nicht
jedoch gemeinsamer
Nachkommen 2 – gewahrt
sein.3 Nicht zum
Tragen kommt diese
Bestimmung mangels anderer
Anordnung im Falle einer Scheidung,
wo die gesetzliche hälftige
Vorschlagsteilung Anwendung
findet.
Im Rahmen der Erbrechtsrevision,
welche nach aktuellem
Kenntnisstand voraussichtlich
2021/2022 in Kraft treten wird,
ist vorgesehen, dass die überhälftige
Vorschlagsbeteiligung
neu in die Pflichtteilsberechnungsmasse
einbezogen wird.
Damit werden die Pflichtteile aller
Erben gleich berechnet. Während
nicht gemeinsame Nachkommen
zum Schutz von deren Pflichtteil
weiterhin eine Herabsetzung der
ehevertraglichen Begünstigung
(der vollen Vorschlagszuweisung)
verlangen können, haben
gemeinsame Nachkommen aber
nur ein Recht auf Herabsetzung
gegenüber dem reinen Nachlass
(= Nachlassaktiven
./. Erbschaftsschulden
./. Erbgangsschulden).
5 Ob dies schliesslich
Alternativ kann ehevertraglich
der Güterstand der Gütertrennung
vereinbart werden.9 Bei
der Gütertrennung verwaltet,
nutzt und verfügt jeder Ehegatte
über sein eigenes Vermögen und
behält dieses auch im Falle der
Auflösung der Ehe.
Dieser «Nicht-Güterstand» kann
mit weiteren Rechtsgeschäften,
die die güterrechtliche Benachteiligung
ganz oder teilweise
kompensieren sollen, verbunden
werden. Im Hinblick auf die
Auflösung der Ehe durch Tod eines
Ehegatten, kann dies durch
erbrechtliche, versicherungsvertragliche
oder durch Dispositionen
im Rahmen der 2. Säule
erfolgen.10 Wird die Ehe durch
Scheidung aufgelöst, kann der
Ausgleich z. B. über eine Zuwendung
im Sinne eines prozentualen
Anteils am Einkommen
des anderen Ehegatten oder
über eine «Gutschrift» für jedes
Ehejahr, die erst bei der Scheidung
fällig wird, erfolgen.11 Der
Rechtsgrund solcher Zuwendungen
ist umstritten.12 Es ist bei
der Redaktion des Vertrags der
Eindruck zu vermeiden, dass es
sich um eine eigentliche scheidungsrechtliche
Nebenfolge
handelt. Andernfalls riskiert man,
dass das Vertragswerk als Ganzes
dem richterlichen Genehmigungsvorbehalt
im Falle einer
Scheidung unterliegen könnte.13
Fallbeispiel 3:
Unternehmen
Immer häufiger ist die Situation
anzutreffen, dass einer der Ehegatten
über ein Unternehmen
verfügt, das er schon zu Beginn
der Ehe hatte oder sich im Laufe
Im Rahmen eines Ehevertrags
ist nicht auszugehen
von einem konkreten,
vom Brautpaar gewünschten
Güterstand, sondern
von deren damit verfolgtem
Ziel.
1-2020 mandat
1 Art. 216 Abs. 1 ZGB.
2 Vorbehältlich der erbrechtlichen
Herabsetzung.
3 Art. 216 Abs. 2 ZGB.
4 Art. 217 ZGB.
5 BBl 2018 S. 5847 ff.
6 BK ZGB-HAUSHEER/REUSSER/
GEISER, Art. 216 N 21 und 26.
7 CHK-RUMO-JUNGO, Art. 216–217
N 4; BK ZGB-HAUSHEER/REUSSER/
GEISER, Art. 216 N 14.
8 CHK-RUMO-JUNGO, Art. 216–217
N 4; BK ZGB-HAUSHEER/REUSSER/
GEISER, Art. 216 N 15.
9 Art. 247 ff. ZGB.
10 TRACHSEL, Güter- und erbrechtliche
Schnittstellen, insbesondere
mit Blick auf Familienunternehmen,
2017, S. 11.
11 TRACHSEL, Güter- und erbrechtliche
Schnittstellen, insbesondere
mit Blick auf Familienunternehmen,
2017, S. 11 f.
12 BSK OR-Vogt, Art. 239 N 36a f.;
TRACHSEL, Güter- und erbrechtliche
Schnittstellen, insbesondere
mit Blick auf Familienunternehmen,
2017, S. 12.
13 Art. 279 ZPO; BGer 5C.114/2003
vom 4. Dezember 2003.