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 Eintritt ins Pflegezentrum – das Erleben  
 der Entscheidung aus der Perspektive  
 einer Bewohnerin 
 Franziska Bronz sprach mit einer Bewohnerin des Pflegezentrums Oberdorf 
 Frau F. lebt seit 2017 bei uns. Sie kam 1939, Anfang   
 Kriegsausbruch, in Freiburg im Breisgau zur Welt. Sie war   
 ein Frühchen, erzählt Frau F., und musste nach der Geburt  
 deshalb längere Zeit im Spital bleiben. Mit 16 Jahren erfuhr  
 sie, dass sie adoptiert worden war. Ihre leiblichen Eltern  
 waren Schweizer. Frau F. sagt, sie habe eine tolle Jugend  
 erlebt und sei ihren Adoptiveltern unendlich dankbar, dass  
 sie sich so liebevoll um sie gekümmert hätten; es habe ihr an  
 nichts gefehlt. Der Drang, die eigenen Wurzeln dann doch  
 auch kennenzulernen, führte sie zu einer ersten Reise in die  
 Schweiz. Das Land habe «sie gefangen genommen, gleich  
 vom ersten Augenblick an».   
 Vor allem die Landschaft, aber auch die Kultur und Menschen  
 hätten sie tief berührt. In den Ferien sei sie immer  
 wieder hierher zurückgekehrt. Nach der Schulzeit absolvierte  
 Frau F. eine kaufmännische Ausbildung. Als sie später in  
 der Zeitschrift «Heim & Welt» ein Stelleninserat als Haushaltshilfe  
 in Kilchberg entdeckte, war für Frau F. klar, dass  
 sie diese Gelegenheit nutzen wollte: So kam sie endgültig in  
 die Schweiz. Es folgten die Stationen Oerlikon, hier lernte sie  
 ihren Ehemann kennen; dann Effretikon, hier verbrachte sie  
 mit ihrem Mann und den gemeinsamen zwei Kindern eine  
 glückliche Familienzeit. Als Nächstes lebte Frau F. in einer  
 Eigentumswohnung in Volketswil Hegnau, ihr Mann verstarb  
 leider schon vor längerer Zeit.  
 Es war ein Sturz mit Folgen im Jahr 2017. Frau F., damals  
 78 Jahre, erlitt dabei einen Oberschenkelhalsbruch und  
 wurde ins Spital Uster eingewiesen. Sie wusste, dass sie  
 nicht mehr nach Hause zurückgehen konnte. Ihre Wohnung,  
 die sie so gern hatte und in der sie sich sehr wohlfühlte,  
 befand sich im 1. Stock ohne Lift. Da war ein selbstbestimmtes  
 Wohnen einfach nicht mehr realistisch. Ihre Tochter habe  
 sie in der ganzen Organisation des Umzugs sehr unterstützt.  
 Sie habe alles geregelt und ihr das ganze «Drumherum»  
 abgenommen. Im Heim wohnte Frau F. zuerst in einem Zwei- 
 Bett-Zimmer im ersten Stock, bis dann einige Monate später  
 der Umzug in ein Einer-Zimmer möglich war.  
 Ich frage Frau F., ob ihr der Wechsel und das Ankommen im  
 Heim grosse Mühe bereitet haben; ob ihr das Loslassen von  
 Vertrautem, sei das nun die eigene Wohnung, die vielen persönlichen  
 Dinge und Erinnerungen, welche sie nicht hierher  
 mitnehmen konnte, nicht wehgetan hätten. «Nein», antwortet  
 sie – klar und deutlich. Sie fühle sich hier zu Hause und die  
 Mitarbeitenden geben sich viel Mühe, es gehe ihr gut.   
 Sie habe ihr eigenes Zimmer mit ihren persönlichen Dingen.  
 Sie benötige auch noch nicht viel Hilfe von der Pflege – ausser  
 beim Duschen, da sei sie auf Unterstützung angewiesen.  
 Sonst aber sei sie noch ganz selbständig. Sie geniesse ihren  
 eigenen kleinen Balkon, die Aussicht vom 3. Stock aus, lese  
 sehr viel und besuche ab und zu Termine der Aktivierung,  
 sofern sie die Themen interessieren und ansprechen. Das  
 Einzige, was sie ein wenig vermisse, sei, dass sie örtlich nicht  
 mehr ganz so zentral lebe wie früher. Der Bahnhof und auch  
 einige Geschäfte unmittelbar vor der Haustüre, das war doch  
 sehr praktisch und schön. Sie sei aber schon immer eine  
 sehr realistische Person gewesen.  
 «Die Dinge sind, wie sie sind und man muss aus allem ver-  
 suchen, das Beste zu machen». Diese Grundhaltung begleitet  
 Frau F. schon ihr Leben lang. Ihre Mama hat ihr diese  
 Lebenseinstellung mit auf den Weg gegeben. Diese Aussage  
 berührt – was für ein kostbares Geschenk dieser Mutter!  
 Dem Kind eine wunderbare Jugend zu schenken, das allein  
 ist schon grossartig. Dem jungen Menschen aber zusätzlich  
 noch einen Leitsatz mit ins Leben zu geben, der so aussagestark  
 und prägend ist, der durch viele Lebenssituationen trägt  
 und stützt – das ist wohl das grösste Geschenk überhaupt.  
 Vielen herzlichen Dank, Frau F., für dieses wunderbar klare  
 und sehr erkenntnisreiche Gespräch.