RUBRIKTITEL 19
1-2018 mandat
RECHT & UNTERNEHMUNG
Vorname Name
Beruf
Ort
«RECHT-ECK»
Aus dem Bundesgericht
Fehlende zivilrechtliche Sanktionsmöglichkeit
beim Wegbringen
von Kleinkindern
Sachverhalt: In einer «Nacht-und-
Nebel»-Aktion zog die Mutter mit ihren
beiden Kindern (vier und fünf Jahre alt)
aus der ehelichen Wohnung im Kanton
Aargau aus und verlegte ihren Wohnsitz
nach Bellinzona. Der Vater wollte
diese Verunmöglichung des persönlichen
Verkehrs mit seinen Kindern nicht
dulden. Der Fall endete vor Gericht.
Prozessgeschichte: Im Eheschutzverfahren
schützte das erstinstanzliche
Gericht das Verhalten der Mutter
nicht. Es wies die Mutter vielmehr an,
den Wohnsitz wieder in den Umkreis
von eineinhalb Stunden Fahrzeit mit
dem öffentlichen Verkehr (gerechnet
ab dem früheren Wohnort) zu verlegen.
Damit wäre dem Vater der persönliche
Verkehr mit seinen Kindern wieder
leichter möglich gewesen. Gegen den
erstinstanzlichen Entscheid wehrte
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Erscheinungsweise
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sich die Mutter im Berufungsverfahren
vor der zweiten Instanz erfolgreich: Die
gerichtliche Weisung wurde vom Obergericht
ersatzlos aufgehoben. Obendrauf
kürzte das Obergericht das Ferienrecht
des Vaters von vier auf zwei
Wochen pro Jahr. Der Vater zog das
Urteil weiter an das höchste Gericht.
Urteil des Bundesgerichts: Das Bundesgericht
hielt zunächst fest, dass
mit dem heimlichen Umzug das Aufenthaltsortbestimmungsrecht
des Vaters
verletzt worden sei. Zudem rügte
es das Obergericht, weil es das Recht
willkürlich angewendet habe, indem
es einen der Hauptpunkte der kürzlichen
Sorgerechtsrevision verkannt
habe. Das Bundesgericht erklärte, mit
der Gesetzesrevision sei beabsichtigt
gewesen, das Aufenthaltsortbestimmungsrecht
von der Frage der Obhut
zu lösen. Nach Meinung des Bundesgerichts
habe das Obergericht von der
Zuteilung der alleinigen Obhut an die
Mutter zu Unrecht auf eine Genehmigung
des Aufenthaltsortes geschlossen.
(Nicht-)Umsetzbarkeit in der Praxis:
Das Urteil mag auf den ersten Blick
als aus Sicht des Vaters erfreulich
erscheinen. Allerdings ist es auf den
zweiten Blick ein Erfolg lediglich auf
dem Papier. Das Bundesgericht stellte
nämlich auch klar, dass es bei der
Verlegung des Aufenthaltsortes ohne
Zustimmung des anderen Elternteils
keine direkte zivilrechtliche Sanktionsmöglichkeit
gebe. Eine indirekte
Sanktion wäre zwar im Rahmen der
Neuzuteilung der Obhut an sich umsetzbar,
dies stand jedoch in der zu
entscheidenden Konstellation nicht
zur Diskussion. Die Möglichkeit, eine
Massnahme gestützt auf Art. 307
Abs. 3 ZGB zu erlassen – dafür hatte
sich die erste Instanz ausgesprochen
– verneinte das Bundesgericht ebenfalls:
Solche Kindesschutzmassnahmen
seien nicht als Begleitinstrument
zu Art. 301a ZGB gedacht, mit welchem
sich ein Gebotsmissbrauch oder
ein rechtsmissbräuchliches Verhalten
eines sorgeberechtigten Elternteils
sanktionieren liesse. Ausschliessliches
Kriterium beim Erlass einer Kindesschutzmassnahme
im Sinne von Art.
307 Abs. 3 ZGB sei die Gefährdung
des Kindeswohls. Die Wegzugsautonomie
der Eltern bleibe davon unberührt.
Eine Gefährdung des Kindeswohles sei
aber im zu entscheidenden Fall nicht
erstellt, da die Auswirkungen des Umzuges
primär in einer Erschwerung der
Sorgerechtsausübung durch den Vater
bestünden. Das geeignete Instrument,
um der bei dieser Ausgangslage möglichen
physischen und sprachlichen
Entfremdung der Kinder vom Vater zu
begegnen, sei eine Anpassung des
Besuchsrechts. In diesem Punkte rügte
das Bundesgericht die Vorinstanz
wiederum. Das lapidare Abstellen und
Verweisen auf die «Gerichtsüblichkeit»
gehe in besonderen Situationen nicht
an. Gerade in Wegzugsfällen ist es aus
Sicht des Bundesgerichts willkürlich,
nicht auf die Verhältnisse im Einzelfall
abzustellen. Das Obergericht «durfte»
sich deshalb nach der Rückweisung
durch das Bundesgericht nochmals
mit der Materie auseinandersetzen…
Urteil 5A_47/2017 des Bundesgerichts
vom 6. November 2017 (zur Publikation vorgesehen)
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