RECHT & UNTERNEHMUNG
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Erscheinungsweise
2x pro Jahr
Justizgeschichte
Justizgeschichte Nr. 26,
abgedruckt unter dem
Titel Seepolizei in fremden
Gewässern im
St.Galler Tagblatt vom
19. März 2015
Ein Einwohner des Dörfchens
Quinten hatte an einem schönen
Sommertag Besuch von
einem Bekannten. Zum Nachtessen
tranken die beiden etwas
reichlich vom einheimischen
Wein. Dann bekamen sie Lust
auf einen kleinen Ausflug. Sie
fuhren gegen acht Uhr abends
mit dem Motorboot über den
Walensee, um in einem Gartenrestaurant
bei Mühlehorn einzukehren.
Zu gleicher Zeit waren
zwei Seepolizisten mit einem
neu angeschafften Patrouillenschiff
unterwegs. Nachdem sie
es ausprobiert hatten, wurde ihnen
offenbar ein wenig langweilig
und so beschlossen sie, das
zufällig daherkommende Motorboot
zu kontrollieren. Als sie
sich vom Bootsführer den Ausweis
zeigen liessen, bemerkten
sie seinen Alkoholgeruch.
Das Atemtestgerät zeigte einen
Blutalkoholwert von mehr
als einem Promille an. Darauf
brachten die Polizisten das
Boot samt den Insassen zurück
nach Quinten und benachrichtigten
die Staatsanwaltschaft,
die eine Blutprobe anordnete.
Der Bootsbesitzer weigerte sich
aber, auf eine weitere Schiffsreise,
diesmal zum Arzt nach Unterterzen,
mitzukommen. Er bestreite
ja gar nicht, dass er eins
über den Durst getrunken habe,
und damit sei eine medizinische
Untersuchung überflüssig. Bei
dieser Ansicht blieb er auch, als
die Polizei ihm erklärte, dass er
sich damit zusätzlich strafbar
mache. Gegen den daraufhin
erlassenen Strafbefehl erklärte
der Bootsführer Einsprache.
Danach verurteilte ihn das
Kreisgericht wegen Fahrens in
angetrunkenem Zustand und
Verweigerung der Blutprobe
zu einer bedingten Geldstrafe
von 15 Tagessätzen à 90 Franken
und einer Busse von 1’000
Franken. Zudem auferlegt es
ihm Verfahrenskosten von gut
2’500 Franken. Die Bootsfahrt
ans andere Ufer wäre teurer
geworden als eine Woche Luxusferien
auf einem Kreuzfahrtschiff.
Der Beschuldigte gelangt
an das Kantonsgericht und dieses
spricht ihn überraschend
frei. Der Verteidiger hat nämlich
entdeckt, dass die Kontrolle
der st.gallischen Seepolizei auf
Glarner Hoheitsgebiet stattfand.
Eine Verfolgung über die Kantonsgrenze
hinaus, eine sogenannte
«Nacheile», ist aber nur
in dringenden Fällen zulässig.
Das Bundesgericht nahm eine
solche Dringlichkeit an, als ein
Automobilist, der durch seine
unsichere Fahrweise auffiel und
obendrein noch eine Stopplinie
überfuhr, von der Zürcher Polizei
erst auf schwyzerischem Boden
angehalten werden konnte. Hier
steuerte der Beschuldigte das
Motorboot jedoch ganz gemütlich
und ziemlich gradlinig
über den See. Die Polizisten
planten nach eigenem Bekunden
eine reine Routinekontrolle.
Sie behaupteten allerdings,
der Schiffsführer habe bei ihrer
Annäherung das Tempo gesteigert,
und wollten daraus
schliessen, dass er vielleicht
doch etwas zu verbergen hatte.
Freilich mussten sie einräumen,
dass ihr Fahrzeug von vorne gar
nicht als Polizeiboot zu erkennen
war. Das Kantonsgericht
stellt fest, dass die Seepolizei
eine Art «fishing expedition» unternommen
und auf gut Glück
in fremden Gewässern geangelt
habe. Es bleibt die Frage, was
das für den auf Glarner Gebiet
erhobenen Beweis bedeutet.
1-2019 mandat
Die Strafprozessordnung unterscheidet
zwischen absoluten
Verwertungsverboten einerseits
und blossen Ordnungswidrigkeiten
andererseits. Das
Geständnis eines Räubers ist
nicht brauchbar, wenn die Polizei
ihm bei der Einvernahme
Schläge androhte. Der Fund bei
einer Hausdurchsuchung bleibt
hingegen verwertbar, wenn die
Polizei es unterliess, den Wohnungsinhaber
zur Begleitung
einzuladen. Dazwischen steht
der Fall, in dem die Untersuchungsbehörden
Gültigkeitsvorschriften
verletzten. Dann
dürfen die gewonnenen Beweise
nicht herangezogen werden
– es sei denn, ihre Verwertung
sei zur Aufdeckung
schwerer
Verbrechen unerlässlich. Das
wird manchmal ziemlich rasch
angenommen. So wurde etwa
eine Diebesbande verurteilt,
obwohl sie nur ertappt worden
war, weil die Polizei an ihrem
Auto heimlich einen illegalen
Peilsender angebracht hatte.
Das Führen eines Motorboots
in angetrunkenem Zustand ist
zwar kein harmloser Schelmenstreich,
aber gewiss auch
keine schwere Kriminaltat. Nun
ist alles klar: Das Ergebnis des
Atemlufttests darf nicht verwendet
werden und damit entfällt
auch der Anlass für die Anordnung
einer Blutprobe.
Zu verdanken hat der angeheiterte
Bootsführer das glückliche
Ende des Strafverfahrens
seinem Verteidiger. Erheben
wir das Glas und trinken einen
Schluck Quintener Blauburgunder
auf einen Anwalt, der sich in
der Geografie ebenso gut auskennt
wie im Strafprozessrecht!
Rolf Vetterli, Dr. h.c.,
ehemaliger Kantonsrichter
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