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das ist hier die Frage
gesetzt werden und welche Voraussetzungen
für den Erfolg eines landwirtschaftlichen Betriebs
wichtig sind. Sie äussern sich ausserdem
dazu, in welche Richtung die künftige Schweizer
Landwirtschaftspolitik gehen sollte.
Ist Bio-Landwirtschaft die Agrarzukunft der Schweiz?
Welche Gründe haben Sie dazu bewogen, den Gibelhof 1994
auf biologische Produktion umzustellen?
Schon 1989 bat ich einen Bioberater auf unseren Hof. Dies aus
eigenem Antrieb, aber auch weil Freunde immer wieder fragten,
weshalb macht ihr nicht Bio. Zu diesem Zeitpunkt lieferten
wir die Milch in eine kleine Käserei. Die Umstellung auf Bio 1994
war dann nur noch Formsache. Und 1995 wurde in der kleinen
Käserei Bannholz der erste Bio-Tilsiter hergestellt.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um einen Hof
erfolgreich auf Bio-Produktion umzustellen?
Verschiedene Aspekte tragen zu einer erfolgreichen Umstellung
bei. Es braucht Offenheit gegenüber Neuem.
Man muss bereit sein, sich neues Wissen
anzueignen. Dann aber sicher auch die
Freude an einer vielfältigen Natur. Auch
eine gewisse Gelassenheit hilft, denn nicht
immer gelingt eine Kultur auf Anhieb,
so wie man sich diese wünschen würde.
Rückblickend sagen viele Biobauern – die
Umstellung war der beste Entscheid den
ich als Betriebsleiter je getroffen habe.
Wie werden die Bio Suisse-Richtlinien im
Betriebsalltag umgesetzt?
Auf einem Grünlandbetrieb halten sich die
Herausforderungen mit den RL in Grenzen.
Eine standortgerechte Tierzucht und
Fütterung ist eine ideale Grundlage. Auf
Betrieben mit Ackerbau oder Spezialkulturen
(Gemüse, Obst, Wein) aber muss sich
ein Bioproduzent viel Biowissen aneignen.
Einen regelmässigen Austausch mit
KollegInnen, Weiterbildungen in speziellen
Kursen und Tagungen, und sammeln von
eigenen Erfahrungen, da bestehen heute
viele Möglichkeiten. Viele Umsteller berichten
auch, dass sie nun in ihren eigenen
Betriebe am Total der Landwirtschaftsbetriebe
Berufskenntnissen viel stärker gefordert würden. Der Berufsstolz
wird neu geweckt! Wenn eine Herausforderung im Anbau
dann erfolgreich ist, dann löst dies viel Befriedigung aus.
Wie muss ein Biobauer, eine Biobäuerin vorgehen um auf dem
Schweizer Markt Erfolg zu haben?
Wie jedes Unternehmen sollte ein Bio-Betrieb sich in erster Linie
an der Nachfrage orientieren. Dies aber in Abstimmung mit
den örtlichen Voraussetzungen und – ganz wichtig – mit den
eigenen Vorlieben! Wer am
Morgen nicht aus dem Bett
kommt, sollte nicht Bio-Milch
in eine Käserei liefern. Aber
wer seine eigenen Fähigkeiten
und Talente richtig
einschätzen kann, dürfte auch erfolgreich wirtschaften. Der
Direktverkauf wird in den kommenden Jahren noch deutlich zulegen.
Ob ab Hof, auf dem Markt oder via Internet, hier bieten
sich Chancen. Aber der damit verbundene Aufwand darf nicht
unterschätzt werden. Wer lieber nicht selbst vermarktet, findet
im Moment meist problemlos Abnehmer für seine Bio-Erzeugnisse.
Und wenn eine kleine Gruppe ein regionales Bio-Produkt,
oder gleich mehrere, gemeinsam kreieren und absetzen will –
gute Idee – dies entspricht absolut dem Zeitgeist.
In welche Richtung, sollte Ihrer Meinung nach die Schweizer
Landwirtschaftspolitik in den nächsten Jahren gehen?
Die Bauern geniessen in der Bevölkerung viel Vertrauen. Und
viele Betriebe sind viel innovativer, boden- und umweltschonender
unterwegs, als uns die Bauernpolitiker in Bern glauben
machen. Dort wird laufend ein System verteidigt, welches man
vor 10 Jahren bekämpft hatte. Unser Ziel muss sein, den Betrieben
wieder mehr Eigenverantwortung und Individualität zu geben.
Aber ohne einen Leistungsnachweis, der das Erreichen von
Zielen dokumentiert und die finanzielle Unterstützung durch
Steuergelder des Bundes rechtfertigt, geht es nicht. Subventionen
werden weniger in Frage gestellt, wenn sie zum Schutz und
zur Förderung von öffentlichen Gütern (Gewässer, Biodiversität,
Klima) beitragen. Verlässliche Angaben zur Art der Produktion
werden aber auch die Konsumierenden immer mehr verlangen.
Sind diese überzeugt und haben Vertrauen, dann werden sie
auch bereit sein, den Bauern faire Preise zu bezahlen.
Könnte die biologische Landwirtschaft den heute in der Schweiz
produzierten Anteil an Nahrungsmitteln decken?
Schon heute werden immer mehr Methoden, welche im Biolandbau
erforscht und erprobt wurden, in der breiten Landwirtschaft
eingesetzt. Ertragsausfälle wegen Schädlingen oder
Krankheiten kommen noch vor, werden aber seltener. Durch
den Verzicht auf Kunstdünger sind die Erträge jedoch generell
tiefer. Aber zu welchem Preis für Natur und Umwelt «erkaufen»
wir uns heute die hohen Erträge? Ein Wandel hin zu einer ökologischen
Landwirtschaft wäre mit Blick auf «Enkeltauglichkeit»
dringend angezeigt. Dies können wir aber nur gemeinsam, als
Gesellschaft erreichen. Weniger Ackerfläche für Tierfutter und
weniger Tiere wären richtig, aber nur wenn der Fleischkonsum
deutlich gesenkt und der Verzehr von pflanzlicher Nahrung
entsprechend gesteigert wird. Unter solchen Voraussetzungen
könnten wir auch mit Bio den Selbstversorgungsgrad mindestens
auf dem heutigen Niveau halten.
Urs Brändli hat während 30 Jahren in Goldingen SG einen Biomilchbetrieb geführt. Den
Hof, auf 900 m ü.M. gelegen, hat er 2015 seinem Sohn übergeben. Seit 2011 ist Urs Brändli
Präsident von Bio Suisse und vertritt damit über 7000 Biobetriebe. Dank den über 1000
Lizenznehmern der Bio-Knospe, Unternehmen aus Verarbeitung und Handel, steht er in
regelmässigem Kontakt mit Vertretern der gesamten Wertschöpfungskette. 2020 hat er
auch das Präsidium der Vereins für komplementäre Tiermedizin, Kometian, übernommen.
AI ׀ 26 von 413
SG ׀ 477 von 3452
FR ׀ 1213 von 2388
CH ׀ 7060 von 43981
in der Schweiz und
Liechtenstein im 2020. Der Biomarktanteil
10.8%. (aus bio-suisse.ch)
/bio-suisse.ch