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Kleider braucht die Welt
Projekte, die nachwachsende,
regionale und vor allem
auch kontrollierte Faserpflanzen
zum Thema machen,
um geeignete Alternativen
auf ihre Tauglichkeit
hin zu prüfen.
Es ist aber sehr anspruchsvoll,
Erste Frage beim Shoppen:
«Brauche ich dieses
Stück wirklich?»
Zweite Frage:
«Woraus ist es gemacht?»
dem Wunsch nach Naturfasern, die die
Baumwolle ersetzen könnten, nachzukommen.
Das hat das von der Gebert Rüf Stiftung
von 2016 bis 2018 finanzierte Forschungsprojekt
DesNat (Design of Bioinspired Textile Products
with Natural Fibres) mit der ETH und der
FHNW aufgezeigt. Die weiche und flauschige
Baumwolle, die aus den Kapseln quillt, direkt
gepflückt und einfach verarbeitet werden
kann, ist in ihren Eigenschaften einzigartig. Sie
ist eine so weiche, hautfreundliche Faser, dass
jede Bastfaser einen schweren Stand hat.
Auf dem Markt gibt es bereits gewebte und
gestrickte Stoffe, die einen Anteil Brennnesseln
in den Garnen aufweisen. Sie sind aber
immer mit etablierten Fasern gemischt,
meist Wolle oder Baumwolle und weisen einen
Brennnesselanteil von 20% bis 30% auf.
Wir haben in unserem neuen Spinnerei-Labor
ebenfalls erste Versuche gemacht, um die
Brennnessel mit Zusatz von Baumwolle, Seide
und Wolle zu verspinnen. Der Vorteil unseres
neuen Labors ist, dass wir die Maschinen entsprechend
den Fasern anpassen können – wir
sind am Lernen.
Welches ist der grösste
Knackpunkt auf dem Weg hin
zu einer nachhaltigen Textilproduktion?
Auch im Textilbereich müssen wir den gesamten
Lebenszyklus einer Ware im Auge behalten,
wir dürfen nicht mehr nur in Abschnitten
denken. Das bedeutet, dass der gesamte
Prozess betrachtet werden muss: vom Feld
über die Ernte, Röste, Extraktion,
Säuberung bis zur
Öffnung, Parallelisierung,
Verstreckung, Verspinnung
der Fasern zu Garnen, die
Herstellung von Textilien,
die Konfektion, die Pflege
und die Rückführung der
gebrauchten Textilien im
besten Fall wieder zurück in eine textile Anwendung.
Dabei müssen alle Prozessschritte
vollkommen transparent sein und den ökologischen,
ökonomischen und sozialen Anforderungen,
die in den SDG (Sustainable Development
Goals) beschrieben sind, genügen.
Es ist oft schwierig, verlässliche und transparente
Informationen bezüglich der Rohstoffe
zu bekommen.
Welcher Naturfaser geben Sie die grösste
Chance für wirtschaftlichen Erfolg?
Wir müssen unterscheiden zwischen Naturfasern
und Fasern, die aus organischem Material
wie Zellulose oder Protein hergestellt
werden, sogenannten „man made fibres“.
Dies sind technische Garne, die in einem chemischen
Prozess gewonnen wurden. Sie sind
zwar biologisch abbaubar, das kann z.T. aber
Jahrzehnte dauern. Wenn wir von Naturfasern
sprechen, dann meinen wir Fasern, die direkt
aus Stängeln, Blüten oder Kernen von Pflanzen
gewonnen werden. Ausserdem spielen
auch recycelte Fasern eine Rolle, deren Ökobilanz
meist besser ist als die der Baumwolle.
Es ist kaum möglich, eine definitive Aussage
dazu zu machen, wenn nicht der Verwendungszweck
definiert wird. Jede Faserpflanze
ist anders. Es kann zwar versucht werden, die
etablierten, industrialisierten Prozesse, die
es für Baumwolle, Leinen/Hanf, Sisal, Wolle
oder Seide gibt, auf andere Fasern anzuwenden,
doch es braucht massive Anpassungen
oder gar Neuentwicklungen von Maschinen.
Ebenso sind die Schnittstellen vom Anbau anderer
Faserpflanzen über die Gewinnung bis
zur Aufbereitung von Garn nicht etabliert und
müssen neu aufgegleist werden.
In unseren Projekten erarbeiten wir genau
diese lokalen, überschaubaren Prozesse mit
Beteiligten, die alle Abläufe transparent machen
können, die die Bauern ebenso miteinbeziehen
wie alle die folgenden Vorgänge mit
den entsprechenden Spezialist:innen. Diese
Art der Forschung ist nicht theoretisch abzuhandeln,
denn man kann von den teilweise
sehr alten Erfahrungswerten mit handgefertigten
Prozessen der lokalen Faserlieferanten
nicht auf die Machbarkeit im industriellen
Massstab schliessen. ak
Alpacas (Vicugna pacos), eine
domestizierte Kamelart aus den
Anden, werden wie Schafe geschoren
und liefern ein weiches,
warmes, seidig-glänzendes Garn.
Alpacas fühlen sich mittlerweile
auch in der Schweiz heimisch.
Facts&Figures
• 20% der globalen Wasserverschmutzung
wird von der
Textilbearbeitung verursacht
• 1,5 Trillionen Liter Wasser
braucht die Modeindustrie
jährlich
• rund 500‘000 Tonnen Mikrofasern
aus Textilien gelangen
jährlich in die Abwässer
• 52% unserer Kleidung enthält
Polyester – jeder Waschgang
und jedes Tragen setzt Mikroplastik
frei
• 23% aller weltweit produzierten
Chemikalien braucht die
Textilindustrie
• 24% aller Insektizide und 11%
aller Pestizide werden im
Baumwollanbau verbraucht
• 70 Millionen Fässer Öl werden
jährlich gebraucht um Polyester
herzustellen
• 30% des Holzes für die Rayon-
und Viscoseproduktion kommt
aus gefährdeten Wäldern
aus www.sustainyourstyle.org
80 Billionen Kleidungsstücke jährlich werden produziert,
ein solches wird durchschnittlich 7x getragen
und dann weggeworfen. 85% aller Textilien
landen auf Abfallhalden, geschätzte 21 Billionen
Tonnen pro Jahr. Auch Naturfasern verrotten in
solchen Bergen nicht.
/www.sustainyourstyle.org