Minou Afzali
Forscherin und Dozentin
an der Hochschule
der Künste Bern HKB
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ten Vorstellung davon, wo man herkommt und
hingehört) für die jeweilige Person bedeutet. Aus
institutioneller Sicht stellt sich die Frage, was das
Heim und die Mitarbeitenden dazu beitragen
können, dass sich ältere Menschen im Heim ein
neues Zuhause gestalten können.
Das näher rückende Lebensende, der Verlust des
eigenen Zuhauses und die Notwendigkeit, sich
im Heim ein neues Zuhause schaffen zu müssen,
sind an sich schon herausfordernd und können
verunsichern. Manchmal kommt zusätzlich eine
Verunsicherung durch Demenz dazu. Auch hierzu
wissen wir aus der Forschung wenig, aber wir können
aus dem Umgang mit Menschen mit Demenz
schliessen, dass Verunsicherung und das Suchen
nach praktikablen ad-hoc-Lösungen zum subjektiv
erlebten Alltag von Menschen mit Demenz
dazu gehören. Reminiszenzen an Vergangenes
und Assoziationen der Vertrautheit können dabei
wichtige Momente des Sich-Zurechtfindens in der
Lebenswelt sein. Damit bieten sich hier Chancen
für Heime, Lebenswelten so zu gestalten, dass
sie als Zuhause erlebt werden können. Referenzen
auf Heimat liegen dabei nahe. Jedoch ist, wie
oben gezeigt, Heimat eben keine klare, absolute
Grösse, sondern ein subjektives Gefühl, das auf
individuellen Erfahrungen beruht und das sozial
verhandelt werden kann, manchmal auch muss.
Heime können somit Heimat-Assoziationen in
der Lebenswelt Heim anbieten, sie müssen dabei
aber berücksichtigen, dass das Verhandeln davon,
welche Assoziationen mit Heimat verbunden
werden, möglich bleibt, ja sogar gefördert wird.
Heimat verhandeln über Inneneinrichtung
Bei einem Umzug ins Heim müssen sich ältere
Menschen nicht nur von ihrem Zuhause trennen,
sondern auch viele persönliche Dinge zurücklassen:
Dinge, für die sie lange gespart oder die sie
von geliebten Menschen geschenkt bekommen
haben, Dinge, die ihnen ans Herz gewachsen
sind. Die Möglichkeit, zumindest einige dieser
Dinge mitnehmen und damit das Heimzimmer
ausstatten zu können, ist sehr wichtig. Denn die
Erinnerungen an Orte, Menschen und Ereignisse,
die mit diesen Dingen verbunden werden, gehören
zu den individuellen Erfahrungen und zu den
Biografien ihrer Besitzerinnen und Besitzer und
sind somit identitätsbildend. Platziert im Heimzimmer
können sie den Aneignungsprozess des
neuen Wohnorts unterstützen und zum Wohlbefinden
im Heim beitragen.
Während das Zimmer immer seltener mit anderen
Personen geteilt wird und das Ausstatten mit
persönlichen Dingen somit auch weniger häufig
verhandelt werden muss, sind Aufenthaltsräume
oder Wohnküchen gemeinschaftlich genutzte
Heimbereiche. Deren Nutzung und Aneignung ist
somit Verhandlungssache unter Bewohnenden
und Mitarbeitenden. Persönliche Dinge der Bewohnenden
finden hier meist weniger Platz. Und
doch stellt sich die Frage, wie diese Wohn- und
Arbeitsbereiche gestaltet werden können, damit
sich die Bewohnerschaft in ihnen zuhause fühlt.
Vielfach wird versucht, in den gemeinschaftlich
genutzten Heimbereichen Heimat zu erzeugen
anhand von Objekten oder Bildern, die Referenzen
an vermeintlich geteilte Lebenserfahrungen
der Bewohnenden darstellen sollen – sei dies das
Alter, die Herkunft oder die Religion. Antik wirkende
Möbel, Landschaftsdarstellungen bestimmter
Regionen, religiöse oder folkloristische Symbole
kommen hierbei zum Einsatz und sollen zu einem
vertrauten Wohnumfeld beitragen. Dies lässt sich
insbesondere in Alterseinrichtungen beobachten,
die sich an eine bestimmte Zielgruppe richten, wie
bspw. in sog. Mediterranen Abteilungen. Inwiefern
sich alle Bewohnenden mit diesen Objekten identifizieren
können, darf bezweifelt werden. Denn
jede Person hat eine individuelle Biografie, hat
Gewohnheiten und Vorlieben, die von ihren persönlichen
Erfahrungen geprägt sind und deshalb
nicht verallgemeinert werden können. Ob Heimbewohnende
gemeinschaftlich genutzte Bereiche
gerne aufsuchen, hängt deshalb weniger von einzelnen
Einrichtungsgegenständen ab. Vielmehr
spielt eine Rolle, ob diese Bereiche den Bewohnenden
Möglichkeiten für sozialen Austausch,
aber auch für Rückzug und Privatsphäre bieten.
Mancherorts werden Bewohnende in die Auswahl
einzelner Einrichtungsobjekte miteinbezogen, indem
diese bspw. während eines gemeinsamen
Ausflugs der Wohngruppe ausgewählt und erworben
werden. Somit verbindet die älteren
Menschen mit diesen Objekten eine gemeinsame