Sorge
In dieser Sorge um den Menschen geht es um
• Das Person-sein und die Identität des Menschen
mit Demenz anzuerkennen;
• Geborgenheit und Wohlbehagen zu vermitteln;
• Soweit es die Familie wünscht: das Einbeziehen
der Familie zu ermöglichen und miteinander zu gestalten;
• Bindung(en) zu ermöglichen;
• Betätigung bzw. Aktivitäten anzubieten.
Laut Tom Kitwood, einem Sozialpsychologen aus
Bradford und Begründer der sogenannten Dementia
Care Mapping Methode, besteht das Problemfeld Demenz
nicht in dem Menschen, der die Demenz «hat».
Das «Problem» ist in der gestörten Interaktion und
Kommunikation zwischen dem Menschen mit Demenz
und den Menschen zu suchen, die «gesund»
sind. Dies aufgrund von gesellschaftlichen Normen
und Wertvorstellung die «normal-sein» bestimmen.
Es kommt zu Missverständnissen und Störungen,
in deren Folge Formen herausfordernden Verhaltens
seitens der Menschen mit Demenz entstehen,
die – sichtbar und vordergründig – zum eigentlichen
«Problem» werden. Einseitig als «Symptome» einer
Erkrankung (fehl)beschrieben, wird herausforderndes
Verhalten teilweise Anlass für sedierende Medikation
oder andere, das Person-sein des Menschen
mit Demenz tangierenden Maßnahmen. Was beim
Menschen mit Demenz als tolerabel gilt, wird durch
diejenigen festgeschrieben, die über die Situationsmacht
verfügen. Bei Herrn Bräuer bestimmt das Betreuungs
und Pflegeteam, was toleriert wird.
Kitwood unterscheidet im Rahmen seiner Theorie
der «malignen Sozialpsychologie» verschiedene Formen
«personaler Detraktionen» im Betreuungs- und
Pflegealltag. Diese Detraktionen verstärken eine personale
Auflösung des Menschen mit Demenz und
können Subjektivität zum Verschwinden bringen.
Umgekehrt kann es gelingen, das Person-sein des
Menschen mit Demenz zu stützen bzw. zu nähren.
In Kitwoods Theorie der «positiven Personenarbeit»
werden zwölf Interaktionsformen beschrieben, die
dem Betroffenen helfen, sich selbst als Person zu
erfahren. Je mehr die neurologische Beeinträchtigung
voranschreitet, desto mehr ist der Mensch mit
Demenz darauf angewiesen, erleichternde Hilfestellungen
bei «abgerissenen» Handlungen zu erfahren
Dies bedeutet beispielsweise das Spiegeln von
Wertschätzung, Angebote zur Alltagsgestaltung, in
Gemeinschaft geführt und begleitet zu werden und
in der Kontinuität von Personen, Strukturen und individuellen
Routinen Sicherheit und Geborgenheit zu
erfahren. Voraussetzungen und Grundlagen für solch
erleichternde und identitätsstiftende Hilfestellungen
werden nachfolgend beschrieben.
Milieu
Ungewöhnliches und bizarres Verhalten wird toleriert
und zugelassen, begleitet, ermöglicht und
«gehalten». Nicht das «objektive Pflegeresultat» ist
entscheidend, sondern das «wie - der Prozess der
Betreuung und Pflege selbst.
Beziehung
Beziehung wird mit den Merkmalen von Wertschätzung,
Echtheit und Empathie gestaltet. Es geht
darum, den Menschen mit Demenz nicht allein zu lassen,
sondern – auch wie bei Herrn Bräuer im Schreien
– auszuhalten, bis der Zustand sich ändert oder
bis feststeht, dass ein Angebot jetzt nicht angenommen
werden kann, worauf sich die Begleitperson zunächst
zurückzieht. Menschen mit Demenz können
nicht mehr «positiv bei sich selbst intervenieren»