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RECHT & PRIVAT
1-2018 mandat
Frist einseitig gekündigt werden
kann. Die einverständliche
Scheidung bildet das Gegenstück
zur freien Partnerwahl:
Am Anfang war es das einvernehmliche
Ja-Wort und nun
ist es das übereinstimmende
Nein-Wort. Ehepaare müssen
sich nicht mehr scheiden lassen,
sie können selbst voneinander
scheiden und dabei einen
Vertrag schliessen, damit
sie sich künftig wieder besser
vertragen.
Kennen Sie vielleicht
eine Anekdote, die
diesen Umbruch zu dokumentieren
vermag?
Na ja, da fällt mir der Ausspruch
eines damals bekannten
Fernsehmoderators ein.
Er sagte ganz passend, ein
Scheidungsurteil sei «der Entscheid
eines Schiedsrichters,
der das Spiel nicht gesehen
hat». Von dieser unmöglichen
Aufgabe, im Nachhinein zu
prüfen, wer das Scheitern der
Ehe verschuldet habe, ist das
Gericht zum Glück befreit.
Verändert hat sich also
auch der Auftrag der
Familienrichterinnen und
Familienrichter?
Es handelt sich heute in Familiensachen
nicht mehr darum,
so rasch als möglich ein Urteil
zu fällen, sondern darum, ein
solches so gut wie möglich
zu vermeiden und die Parteien
zu unterstützen, damit
sie ihren Konflikt in
eigener Verantwortung
bewältigen
können. Das ist vor
allem dann bedeutsam,
wenn Kinder
betroffen sind, weil
sie unter einem fortgesetzten
elterlichen Streit
am meisten leiden. In einer
Lebenskrise nehmen allerdings
die persönlichen Sorgen
der Eltern mitunter so breiten
Raum ein, dass ihre Erwachsenenkompetenz,
sich in die
Kinder einzufühlen, verdrängt
wird. Dieses Erwachsenen-Ich
muss sozusagen wieder wachgerüttelt
werden. Falls doch
einmal ein Entscheid zu treffen
ist, kann das Gericht nicht wie
im Obligationenrecht aus einem
vergangenen und deshalb
feststehenden Sachverhalt
Ansprüche ableiten, sondern
hat schwierige Prognosen
für
eine noch ungewisse Zukunft
zu stellen. Dabei muss es sich
auch mit Migrationsfamilien
auseinandersetzen, die wenig
Verständnis für unsere Rechtsordnung
aufbringen, und Kinder
einbeziehen, die ein eigenes
Gerechtigkeitsgefühl
mitbringen. Die Richterinnen
und Richter sollten nicht nur
über ein breites juristisches
Wissen verfügen, sondern
auch methodische Fähigkeiten
zur Gesprächsführung und
Verhandlungsleitung erwerben
sowie soziale Kompetenzen
zu einem empathischen, aber
gleichwohl neutralen Umgang
mit Familien in Not entwickeln.
Ich bedaure es immer noch,
dass diese unvermeidliche
Spezialisierung nicht Anlass
zur Bildung eigentlicher Familiengerichte
gab, die sich auch
mit dem Kindes- und Erwachsenenschutz
hätten befassen
können.
Das Familienrecht
ist ja auch in anderen
Punkten revidiert
worden. War das
immer ein Gewinn
oder gelegentlich
doch nur der Tausch
eines Missstandes
gegen einen anderen?
Das Zivilgesetzbuch war einst
ein Vorbild für halb Europa.
Der familienrechtliche Teil
blieb während sechzig Jahren
völlig unverändert. Die ersten
grossen Reformen betrafen
das Kindesrecht und das Eherecht.
Sie wurden jeweils zehn
Jahre lang vorbereitet. Seither
hat sich das Tempo der Revisionen
immer mehr beschleunigt.
Das hängt allerdings nicht
mit einem staatlichen Übereifer
zusammen, sondern mit
dem gesellschaftlichen Wandel.
Nun ist das ZGB zu einer
ständigen Baustelle und damit
zu einem ewigen Provisorium
geworden, was sich auch auf
die Qualität der Gesetzgebung
auswirkt. Der Plan, die
gemeinsame elterliche Sorge
zum Regelfall zu erklären, ist
ja noch durchaus geglückt,
obwohl den Eltern zu wenig
deutlich gemacht wurde, dass
die Verantwortung zwangsläufig
einem allein übertragen
werden muss, wenn sie nicht
mehr miteinander zu kommunizieren
vermögen. Auch das
Vorhaben, die Ansprüche in
der beruflichen Vorsorge vor
und nach einem Rentenfall
aufzuteilen, ist noch halbwegs
gelungen, obschon es den
Ehegatten bei der Scheidung
zu leicht gemacht wurde, auf
ihren Anteil zu verzichten, solange
sie eine irgendwie «angemessene
» eigene Vorsorge
besitzen. Die Einführung des
Betreuungsunterhalts ist hingegen
schlicht missraten.
Was ist denn bei
der Regelung des
Betreuungsunterhalts
schiefgegangen?
In der Regel enthält das Gesetz
eine Art Musterlösung,
hier begnügt es sich mit einem
plakativen Schlagwort.
Merkwürdig wirkt dabei schon,
dass die Abgeltung des Betreuungsaufwands
in den Kindesunterhalt
eingeschlossen
wurde. Damit ist das Kind
quasi zum Arbeitgeber seiner
Eltern aufgestiegen. Unbefriedigend
scheint aber namentlich,
dass das Recht keinen
einzigen Anhaltspunkt liefert,
wie dieser Unterhaltbeitrag bemessen
werden soll. Eigentlich
müsste es um eine Bewertung
der Betreuungsleistung gehen
und nicht um eine Unterstützung
der Betreuungsperson. In
der Botschaft wurde trotzdem
vorgeschlagen, die notwendigen
Lebenskosten des betreuenden
Elternteils zu decken,
und diese an sich unverbindliche
Anregung ist in Lehre und
Praxis diskussionslos übernommen
worden.
Ein Scheidungsurteil sei
«der Entscheid eines
Schiedsrichters, der das
Spiel nicht gesehen hat».