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RECHT & PRIVAT
1-2018 mandat
sen des Kindes als Opfer zu
vertreten.
Das Gesetz kennt verschiedene
Arten von Beistandschaften.
Ein Vertretungsbeistand
soll die verbeiständete Person
in der betreffenden Angelegenheit
vertreten, bei Kindern
also anstelle der Eltern. Etwas
anderes sind Besuchs- und Erziehungsbeistandschaften,
die
oft bei familiären Konflikten in
Trennungs- und Scheidungssituationen
angeordnet werden.
Dort bleibt die Vertretung des
Kindes bei den Inhabern der elterlichen
Sorge. Beistände haben
dann eine unterstützende
und vermittelnde Funktion. Ein
Besuchsbeistand wird eingesetzt,
wenn das Kontaktrecht
zwischen getrennt lebenden
Eltern Schwierigkeiten bereitet.
Ein Erziehungsbeistand soll
demgegenüber ganz allgemein
den Eltern mit Rat und Tat zur
Seite stehen und sie beispielsweise
auch in schulischen Belangen
unterstützen.
Es geht auch ohne
Im Scheidungsverfahren der
Eltern von Anna (7 J.) und Leon
(9. J.) lädt die Richterin beide
Kinder zu einem Gespräch ein.
Sie erkundigt sich, wie es Anna
und Leon in der neuen
Situation geht,
welche Ängste, Bedürfnisse
und Wünsche
sie haben. Die
Eltern einigen sich in
der Folge zusammen
mit der Richterin auf
eine Regelung der
neuen Wohnsituation,
der Kinderbetreuung,
der Ferien
etc., und sie versuchen
gemeinsam, für Anna und
Leon die bestmögliche Lösung
zu finden. Anna und Leons Eltern
sprechen regelmässig
miteinander, auch nachdem
sie getrennt wohnen. Anna
und Leon benötigen im Scheidungsverfahren
keine Kindesvertretung
– ihre Anliegen und
Bedürfnisse werden gehört
und bei den Entscheiden über
Kinderbelange berücksichtigt.
Nicht immer sind sich die Eltern
in einer Scheidung darüber einig,
was das Beste für ihre Kinder
ist. Manchmal können sich
die Eltern über das Sorgerecht,
die Obhut und den Kontakt zu
den Kindern nicht einigen. Die
emotionale Belastung bei einem
Beziehungskonflikt und im
Zuge einer Trennung ist gross.
Emotionale Verletzungen, Zukunfts
und Existenzängste,
das Auseinanderbrechen
des
Familienverbunds, psychische
Erkrankungen und viele andere
Aspekte können dazu führen,
dass die Eltern zeitweise nicht
oder nur beschränkt in der
Lage sind, die Bedürfnisse ihrer
Kinder zu erkennen und diese
zu berücksichtigen. Es kommt
auch vor, dass die Werte und
Vorstellungen der Eltern derart
verschieden sind, dass kein gemeinsamer
Nenner mehr gefunden
werden kann.
Nicht immer ist offensichtlich,
welche Lösung dem Kindeswohl
am besten entspricht. In
solchen Fällen kann der Richter/
die Richterin eine Kindesvertretung
anordnen und als
Beistand oder Beiständin eine
in fürsorgerischen und rechtlichen
Fragen erfahrene Person
einsetzen. Das kann, muss aber
nicht, ein Anwalt/eine Anwältin
sein. Die Kindesvertretung kann
dann – gleichberechtigt wie die
Eltern – im Scheidungsverfahren
Anträge stellen und sich für
die betroffenen Kinder zu Fragen
der elterlichen Sorge, der
Obhut und des persönlichen
Verkehrs und auch zu allfälligen
Kindesschutzmassnahmen
äussern. So gelten in familienrechtlichen
Verfahren für alle
Betroffenen, Eltern wie Kinder,
gleich lange Spiesse.
Den Begriff «Kinderanwalt»
kennt das Gesetz nicht, weshalb
stets im Einzelfall zu prüfen
ist, was damit gemeint ist.
Hier wird der Begriff allgemein
für Anwälte verwendet, die mit
der Wahrung der Interessen
von Kindern beauftragt wurden.
Wer setzt Anwälte
für ein Kind ein?
Als gesetzliche Vertreter können
die Eltern für ein von einem
Justizverfahren betroffenes
Kind einen Anwalt/eine Anwältin
beauftragen. So können
beispielsweise die Eltern von
Jonas einen Anwalt für seine
Verteidigung im Jugendstrafverfahren
mandatieren und die
Eltern von Elias eine Anwältin
im Rechtsstreit gegen die
Schule. Dabei handelt es sich
um eine vertragliche Mandatierung
des Anwalts. Das Recht,
für das minderjährige Kind Entscheide
zu treffen, verbleibt
grundsätzlich bei den Eltern.
Wenn die Eltern über Kinderbelange
streiten, sei es in einem
Scheidungsverfahren vor Gericht
oder in einem Verfahren
vor der Kindesschutzbehörde
(KESB), so wird bei entsprechender
Notwendigkeit eine
Kindesvertretung vom Gericht
oder von der KESB angeordnet
und eingesetzt. Dann liegt
eine Kindesvertretung in Form
einer Vertretungsbeistandschaft
im Sinne von Art. 314abis
ZGB vor. In diesem Fall können
die Eltern dem Kindesvertreter/
der Kindesvertreterin keine Instruktionen
geben.
Kinderanwälte, die für die Interessenwahrung
eines Kindes
eingesetzt werden, sind, unabhängig
davon, ob dies durch
die Kindseltern erfolgte oder
durch ein Gericht oder eine
Behörde, stets nur den Interessen
des Kindes verpflichtet.
Kann ein Kind
selber einen Anwalt
beauftragen?
Die vertragliche Mandatierung
eines Anwalts/einer Anwältin
setzt grundsätzlich Prozess-
fähigkeit und damit Handlungsfähigkeit
voraus, d.h. die Urteilsfähigkeit
und die Volljährigkeit
einer Person. Vor Erreichung
des 18. Altersjahres benötigen
Kinder und Jugendliche daher
grundsätzlich die Zustimmung
ihres gesetzlichen Vertreters.
Urteilsfähige minderjährige Kinder
können jedoch im Zusammenhang
mit höchstpersön-
lichen Rechten im Sinne von Art.
19c ZGB auch selber vertraglich
einen Anwalt/eine Anwältin
mandatieren. Unter die höchstpersönlichen
Rechte im Sinne
Kinderanwälte sind, unabhängig
davon, ob sie durch
die Kindseltern oder durch
ein Gericht oder eine Behörde
eingesetzt wurden,
stets nur den Interessen
des Kindes verpflichtet.