
16 RECHT & UNTERNEHMUNG
Die Unternehmen schädigen
so nicht nur systematisch die
Gläubiger sowie die Sozialversicherungen;
sie erschleichen
sich durch dieses Gebaren
auch einen Wettbewerbsvorteil.
Wie viele Konkurse tatsächlich
missbräuchlich sind, ist
nicht bekannt. Gemäss Ernst
& Young (Studie von 2009)
werden 41,4 % der Konkursverfahren
mangels Aktiven eingestellt,
was zumindest
ein Indiz für die
zu späte Anrufung
des Konkursrichters
ist. Laut der Staatsanwaltschaft
Zürich
gibt es pro Jahr nur
eine einstellige Anzahl
strafrechtlich verfolgter
Wie viele Konkurse tatsächlich
missbräuchlich
Konkursfälle. Allerdings führen
faktische und rechtliche
Hürden für Gläubiger sowie
Behörden dazu, dass auf eine
konsequente Rechtsdurchsetzung
selbst in offensichtlich
missbräuchlichen Fällen verzichtet
wird.3
2. Vorgeschlagene
Massnahmen
2.1. Vorbemerkungen
Das Phänomen der missbräuchlichen
Konkurse ist bekannt
und der Handlungsbedarf
ist grundsätzlich unbestritten.
Schwieriger ist es, konkrete
Massnahmen vorzusehen, mit
denen das Problem wirksam
bekämpft werden kann, ohne
dass sich unerwünschte Nebeneffekte
einstellen, welche
die wirtschaftliche Tätigkeit
behindern oder sogar unterbinden.
Es muss nach wie vor
zulässig sein, mit einer Geschäftsidee
zu scheitern.
2.2. Strafrecht: Verbesserte
Durchsetzung des Tätigkeitsverbots
Als Kernstück der Vorlage beabsichtigt
der Bundesrat, die
Durchsetzbarkeit des strafrechtlichen
Tätigkeitsverbots
zu verbessern.
Das in Art. 67a Abs. 2 StGB
geregelte Berufsverbot umfasst
aktuell alle «Tätigkeiten,
die der Täter selbstständig, als
Organ einer juristischen Person
oder Handelsgesellschaft,
als Beauftragter oder als Vertreter
einer anderen Person
ausübt oder durch eine von
seinen Weisungen abhängige
Person ausüben lässt». Nur,
wenn die Gefahr besteht, dass
der Täter seine Tätigkeit auch
zur Begehung von Straftaten
missbraucht, wird ihm die
Tätigkeit ganz untersagt (Art.
67a Abs. 3 StGB). Eingefügt
werden soll in Art. 67a Abs. 2
E-StGB die Präzisierung, dass
das Tätigkeitsverbot standardmässig
sämtliche Funktionen
erfasst, die im Handelsregister
einzutragen sind und nicht nur
für Organe gilt (bspw. Funktion
des Geschäftsführers).4
Zudem sollen Konkursämter
bei Hinweisen Strafanzeige
erstatten. Ferner soll das
Eidgenössische Amt für das
Handelsregister (EHRA) Prüfpflichten
erhalten, damit keine
Personen im Handelsregister
eingetragen bleiben, wenn ihre
Funktion mit einem Tätigkeitsverbot
unvereinbar ist.5
2.3. Handelsregister:
Personensuche
Mit der Änderung des Obligationenrechts
vom 17. März 2017
wurde die Schaffung einer zentralen
Datenbank Personen beschlossen.
Über die Webseite
des zentralen Firmenindexes
(Zefix) soll eine Suchfunktion
von im Handelsregister eingetragenen
natürlichen Personen
ermöglicht werden. Die öffentlichen
Personendaten werden
mit den Daten der Rechtseinheiten
verknüpft, wodurch
nachvollziehbar wird, in welcher
Rechtseinheit sowie in
welcher Funktion die gesuchte
Person im Handelsregister eingetragen
ist oder war. Informationen
zum wirtschaftlichen
Werdegang und zu Verwicklungen
in Konkursverfahren
können damit eingesehen werden.
Der Bundesrat sieht darin
nebst einer abschreckenden
Wirkung auch Vorteile für Behörden
(bspw. Überprüfung
von Gesellschaften und Funktionen
durch ein Strafgericht).
Dies ermögliche einem Gericht
ein Gesamtbild der wirtschaftlichen
Tätigkeit, womit auch ein
spezifisches Tätigkeitsverbot
nach Art. 67 StGB angeordnet
werden könne.6
2.4. Obligationenrecht
2.4.1. Nichtigkeit des Mantelhandels
Die langjährige Rechtsprechung
des Bundesgerichts
zum sogenannten «Mantelhandel
», welcher als nichtiges
Rechtsgeschäft erachtet wird,
soll im OR kodifiziert werden.
Das Bundesgericht beschreibt
den Aktienmantel als eine wirtschaftlich
vollständig liquidierte
und von den Beteiligten aufgegebene,
juristisch aber noch
nicht aufgelöste Gesellschaft,
wodurch gesetzliche Gründungsvorschriften
umgangen
und der Zweck der Löschungspflicht
missachtet und vereitelt
wird.7
Wie der Bundesrat ausführlich
festhält, dient der Mantelhandel
jedoch auch der bereits
erwähnten «organisierten Firmenbestattung
». Er dient den
involvierten Parteien und nicht
zuletzt den Unternehmern
dazu, sich persönlich zu bereichern
und hat zur Konsequenz,
dass die Gläubiger nicht mehr
oder nur erschwert auf die Vermögenswerte
der Gesellschaft
zugreifen können und eröffnete
Konkurse wieder mangels Aktiven
eingestellt werden.8 Die
vorgeschlagenen Art. 684a und
Art. 787a E-OR statuieren die
Nichtigkeit des Mantelhandels
für die Aktiengesellschaft und
Gesellschaft mit beschränkter
Haftung. Die Nichtigkeit betrifft
den Kaufvertrag, welcher als
obligatorisches Grundgeschäft
sind, ist nicht bekannt.
1-2021 mandat
3 BBI 2019 5193, S. 5196 f.
4 Damian Graf, Berufsverbote im
Straf- und Finanzmarktrecht:
Gemeinsame Unterschiede und
unterschiedliche Gemeinsamkeiten,
in: Daniel Daeniker, Frank Gerhard
et al. (Hrsg.), Gesellschafts- und
Finanzmarktrecht, 2019, S. 378.
5 BBI 2019 5193, S. 5197 und 5203.
6 BBI 2019 5193, S. 5203 f.
7 BGE 55 I 136; 64 II 361 E. 1.
8 BBI 2019 5193, S. 5204 f. mit
Hinweisen.