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RECHT & PRIVAT
1-2021 mandat
4. Kann keine der vorstehenden
drei Varianten umgesetzt
werden, so haben Arbeitgebende
den Betroffenen bei
gleichem Lohn eine gleichwertige
Ersatzarbeit vor Ort
zuzuweisen, wobei der Arbeitsplatz
so auszugestalten
ist, dass jeder enge Kontakt
mit anderen Personen ausgeschlossen
ist, resp., wenn
ein enger Kontakt nicht jederzeit
vermieden werden
kann, mit Schutzmassnahmen
nach dem STOP-Prinzip.
Bevor Arbeitgebende solche
Massnahmen ergreifen, haben
sie die betroffenen Mitarbeitenden
anzuhören. Ein Anhörungsrecht
der Mitarbeitenden
gilt im Bereich des Gesundheitsschutzes
des Arbeitsgesetzes
(ArG) generell. Die
beschlossenen Massnahmen
für besonders gefährdete Mitarbeitende
sind schriftlich zu
dokumentieren und den Betroffenen
mitzuteilen.
Besonders gefährdete Personen
können die ihnen zugewiesene
Arbeit ablehnen, wenn
der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin
die Voraussetzungen wie
vorstehend beschrieben nicht
erfüllt oder wenn sie die Gefahr
einer Ansteckung mit dem
Coronavirus trotz der am Arbeitsplatz
getroffenen Schutzmassnahmen
aus besonderen
Gründen als zu hoch für sich
erachten. In letzterem Fall
können Arbeitgebende zum
Nachweis ein ärztliches Zeugnis
verlangen. Können Arbeitgebende
besonders gefährdete
Mitarbeitende nicht nach
den vorstehend beschriebenen
Vorgaben beschäftigen oder
dürfen Mitarbeitende die ihnen
zugewiesene Arbeit aus den
vorgenannten Gründen ablehnen,
so hat der Arbeitgeber/die
Arbeitgeberin die betroffenen
Mitarbeitenden unter Lohnfortzahlung
von ihrer Arbeitspflicht
zu befreien. In diesen Fällen
steht den betroffenen Mitarbeitenden
gemäss der Covid-
19-Verordnung Erwerbsausfall
ein Anspruch auf Erwerbsausfallentschädigung
in der Höhe
Dr. iur. Nicole Zürcher Fausch,
Rechtsanwältin, St.Gallen
des vollen bisherigen Lohnes
zu, wozu sie die besondere
Gefährdung allerdings mit einem
ärztlichen Attest nachweisen
müssen. Richtet der
Arbeitgeber/die Arbeitgeberin
den Lohn weiterhin an die betroffenen
Mitarbeitenden aus,
kann er/sie den Anspruch auf
die Erwerbsausfallentschädigung
geltend machen.
Kontrolle und
Sanktionen
Für die Kontrolle der Massnahmen
zum Schutz besonders
gefährdeter Mitarbeitenden
sind die Vollzugsbehörden
des Arbeitsgesetzes (u.a. die
kantonalen Arbeitsinspektorate)
und die Suva zuständig.
Arbeitgebende haben den zuständigen
Kontrollorganen Zutritt
zu gewähren und allfällige
Anordnungen der Vollzugsbehörden
umzusetzen. Gegen
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber,
die den Vorschriften
über den Gesundheitsschutz
keine Folge leisten, kann ein
Verwaltungsverfahren nach
Arbeitsgesetz (ArG) eingeleitet
werden.
Gemäss Art. 18 des Covid-19
Gesetzes könnte der Bundesrat
vorsätzliche Zuwiderhandlungen
gegen die von ihm im
Bereich des Arbeitnehmerschutzes
gestützt auf das Covid
19-Gesetz angeordneten
Massnahmen für strafbar erklären
und mit Bussen bis maximal
CHF 300 sanktionieren.
D.h. das Covid-19 Bundesgesetz
räumt dem Bundesrat
die Kompetenz zum Erlass von
Übertretungstatbeständen ein.
Die Covid-19-Verordnungen
des Bundesrates sehen aktuell
keine strafrechtlichen Sanktionen
vor für die Verletzung der
aufgrund der Covid-19-Erlasse
angeordneten besonderen
Massnahmen zum Schutz von
Arbeitnehmenden.
Gemäss Art. 59 ArG sind Arbeitgebende,
die vorsätzlich
oder fahrlässig gegen Vorschriften
des Gesundheitsschutzes
verstossen, strafbar.
Das ArG droht den Arbeitgebenden
als Sanktion Geldstrafen
bis zu 180 Tagessätzen an.
In der arbeitsrechtlichen Literatur
wird die Meinung vertreten,
dass auch Verstösse von Arbeitgebenden
gegen die vom
Bundesrat gestützt auf das
Covid-19-Gesetz erlassenen
Vorschriften zum Gesundheitsschutz
für Arbeitnehmer nach
Art. 59 ArG strafbar seien. Dieser
Meinung kann nicht gefolgt
werden. Das Covid-19-Gesetz
als Spezialgesetz geht diesbezüglich
der Regelung im Arbeitsgesetz
vor, zudem handelt
es sich bei der Regelung im
Covid-19-Gesetz um das mildere
Recht. Soweit Arbeitgebende
gegen Gesundheitsvorschriften
des ArG verstossen,
gelten die Strafbestimmungen
des ArG aber auch während
der Pandemie.
Für die Kontrolle der
Massnahmen zum Schutz
besonders gefährdeter
Mitarbeitenden sind die
Vollzugsbehörden des
Arbeitsgesetzes (u.a. die
kantonalen Arbeitsinspektorate)
und die Suva
zuständig.