
 
		12 RECHT & PRIVAT 
 1-2019 mandat 
 Internet – kontaktlos  
 aber nicht rechtsfrei 
 Die  «literarische  Freiheit»  des  
 Internets ist nicht konsequenzenlos. 
   Aus  rechtlicher  Sicht  
 gilt es hierbei insbesondere zu  
 beachten, dass der Schweizer  
 Gesetzgeber  keinen  Unterschied  
 macht, ob eine Persönlichkeitsverletzung  
 mündlich  
 oder  schriftlich  erfolgt.  Massgebend  
 ist, dass der Betroffene  
 individualisierbar ist. Dieser  
 muss einerseits sich selbst erkennen  
 und andererseits auch  
 durch  Dritte  erkennbar  sein.2  
 Die ehrverletzende Äusserung  
 muss  also  öffentlich  erfolgen.  
 Das World Wide Web ist eben  
 genau  das:  weltweit  und  öffentlich. 
  Die Nutzer verkennen  
 häufig,  welche  Reichweite  ein  
 digital  veröffentlichter  Beitrag  
 haben kann. Das Internet stellt  
 keinen rechtsfreien Raum dar.3 
 Der fehlende persönliche Kontakt, 
   eine  Flut  von  Beiträgen  
 oder  auch  die  Verwendung  
 von  Pseudonymen  kann  eine  
 vermeintliche  Anonymität  
 schaffen.  
 Diese  schützt  aber  
 nicht vor einer rechtlichen  
 Verfolgung.  
 Die  Anonymität  im  
 Internet  existiert  
 nicht.  Mittels  IP-Adresse bzw.  
 mittels  des  digitalen  Fingerabdrucks4  
 kann  mindestens  
 zurückverfolgt  werden,  von  
 welchem  PC  eine  persönlichkeitsverletzende  
 Aussage  
 veröffentlicht  wurde.  Insofern  
 ist  die  Veröffentlichung  von  
 Beiträgen  im  Internet  gar  risikoreicher  
 als  eine  mündliche  
 Aussage,  da  man  Beweise  
 schwarz auf weiss schafft. Für  
 böse  Überraschungen  kann  
 auch  sorgen,  dass  Ironie  in  
 schriftlicher  Form  oft  schwieriger  
 als solche erkennbar ist.  
 Gegenspieler des Vorteils  des  
 schriftlichen  Beweises  ist  die  
 Flüchtigkeit des Internets. Das  
 bedeutet, dass Beiträge in der  
 Regel ebenso schnell, wie sie  
 hochgeladen  wurden,  wieder  
 entfernt werden können. Aber  
 trotz Entfernung des Beitrages  
 sind  dessen  Nachwirkungen  
 unkontrollierbar,  da  auf  das  
 vorgängige Teilen oder Downloaden  
 des Beitrages kein Einfluss  
 genommen werden kann. 
 Persönlichkeitsverletzung  
 – und jetzt? 
 Ob  eine  Äusserung  persönlichkeitsverletzend  
 ist,  lässt  
 sich  nicht  anhand  eines  Katalogs  
 feststellen,  sondern  
 wird durch das Ermessen des  
 Richters  bestimmt.  Dabei  hat  
 der  Richter  die  angeklagte  
 Persönlichkeitsverletzung  objektiv  
 zu  prüfen,  das  heisst,  
 massgebend ist, wie die zu be-  
 urteilende  Äusserung  von  einem  
 durchschnittlichen Dritten  
 verstanden wird.5 
 Aufgrund  der  Flüchtigkeit  des  
 Internets  gilt  es,  beim  Entdecken  
 von potenziellen Rechtsverletzungen  
 sofort  mögliche  
 Beweise  zu  sichern,  indem  
 zum  Beispiel  Screenshots  
 oder  Fotos  vom  verletzenden  
 Inhalt erstellt werden und dar-  
 über  Protokoll  geführt  wird.  
 Wie  weiter  vorgegangen  werden  
 soll, richtet sich nach dem  
 zu  erreichenden  Ziel.  Hat  die  
 Löschung des persönlichkeitsverletzenden  
 Inhalts  Priorität?  
 Wird  eine  Richtigstellung  gewünscht? 
  Oder soll gar Schadenersatz  
 oder  Genugtuung  
 verlangt werden? 
 In der Regel ist es nicht empfehlenswert, 
   den  Verletzenden  
 direkt,  zum  Beispiel  über  
 die  Antwort-Funktion  einer  
 Kommentarspalte,  zur  Rede  
 zu  stellen.  Dies  kann  die  Diskussion  
 umso mehr  anheizen  
 und  möglicherweise  zu  weiteren  
 Persönlichkeitsverletzungen  
 führen.  Besser  ist  es,  
 die  Missbrauchsmeldungs- 
 Funktion zu nutzen, welche die  
 meisten  Betreiber  von  Foren  
 und  sozialen  Medien  zur  Verfügung  
 stellen. Diese Funktion  
 bietet  die  Möglichkeit,  einen  
 Regelverstoss  zu melden.6 Es  
 bleibt in diesem Fall jedoch in  
 der  Entscheidungsgewalt  des  
 privaten  Betreibers,  ob  und  
 wann  der  verletzende  Inhalt  
 gelöscht  wird.  Eine  zwangsweise  
 Löschung lässt sich nur  
 mit einem rechtskräftigen Gerichtsurteil  
 durchsetzen.  
 Zusätzlich  oder  alternativ  
 zur  aussergerichtlichen  Vorgehensweise, 
   können  auch  
 rechtliche  Mittel  gegen  eine  
 Persönlichkeitsverletzung  ergriffen  
 werden. Das Zivilgesetz  
 bietet hierfür in Art. 28a Abs. 1  
 ZGB verschiedene Vorgehensmöglichkeiten  
 an: Mit dem Unterlassungsbegehren  
 gemäss  
 Ziffer  1  kann  eine  drohende  
 persönlichkeitsverletzende  
 Äusserung  vorsorglich  verboten  
 werden.  Mit  dem  Beseitigungsbegehren  
 gemäss  Ziffer  
 2 kann verlangt werden, dass  
 bereits  veröffentlichte  persönlichkeitsverletzende  
 Inhalte gelöscht  
 werden. Mit dem Feststellungsbegehren  
 gemäss  
 Ziffer  3  kann  man  schliesslich  
 gerichtlich  feststellen  lassen,  
 dass  eine  bestimmte  Äusserung  
 widerrechtlich  ist.  Dabei  
 kann das Gericht allerdings nur  
 eine Verletzung, nicht aber den  
 Wahrheitsgehalt einer Aussage  
 feststellen.7  Die  gerichtliche  
 Feststellung  kann  als  Mittel  
 zur  Beseitigung  einer  Persönlichkeitsverletzung  
 im  Sinne  
 von  Art.  28  Abs.  1  ZGB  dienen; 
  dies insbesondere, wenn  
 die  Störung  fortdauert.  Die  
 höchstrichterliche  Rechtsprechung  
 bejaht  das  Fortdauern  
 einer Störung, wenn die in der  
 Das World Wide Web ist  
 eben genau das: weltweit  
 und öffentlich. 
 2   Meili, a.a.O., N 39 zu Art. 28 ZGB.   
 3   Vgl. Marc Frédéric Schäfer, Soziale  
 Medien – wie schütze ich mich  
 richtig?, in: Mandat 1-2015.	 
 4   Dabei handelt es sich um die Auslesung  
 verschiedener Informationen  
 auf dem Endgerät (z.B. Browsertyp/  
 -version/-einstellungen, installierte  
 Schriften, Auflösung sowie Hersteller  
 und Typenbezeichnung des Endgerätes). 
 	 
 5   Anstatt Vieler: BGer 5A_195/2016,  
 E. 5.1. 
 6   Zum Beispiel bei Kommentaren zu  
 digitalen Beiträgen des Tagesanzeigers  
 kann mit der Funktion «Melden»  
 unter Angabe von Name und E-Mail- 
 Adresse angegeben werden, warum  
 man der Meinung ist, dass dieser  
 Kommentar gelöscht werden sollte.  
 Der Tagesanzeiger prüft zudem  
 jeden Kommentar vor der Veröffentlichung  
 (vgl. https://www.tagesanzeiger. 
 ch/service/unsere-dienste/ 
 wie-sie-bei-uns-online-kommentieren/ 
 story/19367311) 
 7   Meili, a.a.O., N 6 f. zu Art. 28a ZGB.