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RECHT & UNTERNEHMUNG
1-2019 mandat
Dr. iur. HSG Manuel Stengel,
Rechtsanwalt und
öffentlicher Notar
Staad
Es dürfte für alle Handelsgesellschaften
und Genossenschaften
vermehrt von Interesse
sein, vor der Anmeldung
beim kantonalen HRA die
Firmenausschliesslichkeit
abzuklären.
4.6 Firmeneinheit
Nach dem Grundsatz der Firmeneinheit
darf ein Unternehmensträger
für sein Unternehmen nur
eine einzige Firma führen. Firmen,
bei denen die Angabe der
Rechtsform mehrmals enthalten
ist, sind unzulässig (Doppelfirma).
Besteht ein Unternehmen
aus einer Haupt- und mindestens
einer Zweigniederlassung,
ist für die Zweigniederlassung
grundsätzlich dieselbe Firma zu
führen wie für die Hauptniederlassung.
Die Firma darf lediglich
besondere Zusätze enthalten,
sofern diese nur für die Zweigniederlassung
zutreffen.39 Weist
die Firma der Zweigniederlassung
einen Zusatz auf, muss sie
aber die Bezeichnung «Zweigniederlassung
» enthalten. Bei
Unternehmensträgern mit Sitz
im Ausland besteht für die Firma
der Zweigniederlassung zusätzlich
die Pflicht zur Beifügung der
Orte von Haupt- und Zweigniederlassung.
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4.7 Firmenausschliesslichkeit
Nach dem Grundsatz der Ausschliesslichkeit
bzw. der Eintragungspriorität
der Firma darf
die später gebildete Firma mit
einer der zuvor eingetragenen
und im Handelsregister noch
nicht gelöschten und tatsächlich
geführten Firma im Kern bzw.
nach dem Gesamteindruck nicht
identisch sein (Verbot identischer
Firmen, von Amtes wegen zu beachten41)
und muss sich von diesen
so deutlich unterscheiden,
dass die Gefahr einer Verwechslung
durch die angesprochenen
Personen ausgeschlossen ist
(Verbot verwechslungsfähiger
Firmen42, Durchsetzung durch
Firmeninhaber oder -inhaberin
selbst).43
Der geografische Schutzumfang
der Ausschliesslichkeit umfasst
für Handelsgesellschaften und
Genossenschaften die ganze
Schweiz.44 Die Ausschliesslichkeit
für Firmen von Einzelunternehmen
bleibt jedoch auf den
Eintragungsort, d.h. auf die
betreffende Gemeinde mit Einschluss
des unmittelbar dazugehörenden
Wirtschaftsraums,
beschränkt.45
Die Identität bzw. Verwechslungsgefahr
ist aufgrund des
Gesamteindrucks zu prüfen,
den die Firmen beim Publikum
hinterlassen. Die Firmen müssen
nicht nur bei gleichzeitigem
aufmerksamem Vergleich unterscheidbar
sein, sondern auch
in der Erinnerung auseinandergehalten
werden können. Im
Gedächtnis bleiben namentlich
Firmenbestandteile haften, die
durch ihren Klang oder ihren Sinn
hervorstechen; solche Bestandteile
haben daher für die Beurteilung
des Gesamteindrucks
einer Firma erhöhte Bedeutung.
Dies trifft insbesondere für reine
Fantasiebezeichnungen zu,
die in der Regel eine stark prägende
Kraft haben. Umgekehrt
verhält es sich bei gemeinfreien
Sachbezeichnungen.46 Die Gefahr
der Verwechslung besteht,
wenn die Firma eines Unternehmens
für die eines anderen gehalten
werden kann oder wenn
bei Aussenstehenden der unzutreffende
Eindruck entsteht, die
Unternehmen seien wirtschaftlich
oder rechtlich verbunden.47
Weil sich mit der Ausdehnung der
Ausschliesslichkeit der Firmen
von Kollektiv-, Kommandit- und
Kommanditaktiengesellschaften
auf die ganze Schweiz der Kreis
für Firmenkonflikte vergrössert,
dürfte es für alle Handelsgesellschaften
und Genossenschaften
vermehrt von Interesse sein, vor
der Anmeldung beim kantonalen
HRA die Firmenausschliesslichkeit
abzuklären. Dafür existiert
beim EHRA die Möglichkeit einer
(kostenpflichtigen) Firmenrecherche
gemäss Art. 13 Abs. 2
HRegV.
4.8 Firmenbeständigkeit
Die Firma ist grundsätzlich an
jede für sie und die angesprochenen
Verkehrskreise massgebliche
Veränderung des Unternehmensträgers
oder des von
ihm betriebenen Unternehmens
anzupassen.48 Zur Erhaltung der
Werbe- und Wertträgerfunktion
der Firma kann eine unwahr gewordene
Firma in bestimmten
Fällen jedoch zumindest teilweise
fortgeführt werden. Ein
solcher Bestandesschutz ist
nach dem Gesetz ausdrücklich
möglich, wenn der in der Firma
enthaltene Name des Einzelunternehmers
bzw.
eines Gesellschafters
gesetzlich oder
behördlich geändert
wurde.49 Auch
bei Personenhandelsgesellschaften
und KMAG erfordert
der allgemeine
Wahrheitsgrundsatz
nicht mehr,
dass der in einer
Gesellschaftsfirma
aufgeführte Name demjenigen
eines (aktuellen) Gesellschafters
entspricht.50
39 Art. 952 Abs. 1 OR.
40 Art. 952 Abs. 2 OR.
41 Die Identität ist zu bejahen, wenn die
Unterschiede lediglich in der Gross-
und Kleinschreibung oder auch
der Einführung eines Apostrophs
besteht (BVGer B-4719/2010 vom
31.8.2010, E. 4).
42 Vgl. ein aktuelles Beispiel: BGer
4A541/2018 vom 29. Januar 2019
i.S. SRC Wirtschaftsprüfung GmbH
gegen SRC Consulting GmbH.
43 Jung, a.a.O., S. 187 f.
44 Art. 951 OR.
45 BGE 131 III 572, E. 3 = Pra 95
2006 Nr. 67, S. 485 ff.
46 BGE 131 III 572 ff. E. 3.
47 Vgl. BGE 129 III 353 ff. E. 3.3; 128
III 96 ff. E. 2a; 118 II 322 ff. E. 1;
je m.w.H.
48 Jung, a.a.O., S. 190.
49 Art. 954 OR; bspw. durch Heirat,
Scheidung, Namensänderung,
Adoption etc.
50 Zu den kumulativen Voraussetzungen
vgl. BSK OR II-Altenpohl, Art.
954 OR N 2.