
10 RECHT & PRIVAT
Vorschlagszuweisung nicht zur
Pflichtteilsberechnungsmasse
hinzugerechnet wird.
Im neuen Art. 216 Abs. 2 ZGB
hat der Gesetzgeber diese
Frage zugunsten zweier unterschiedlicher
Pflichtteilsberechnungsmassen,
eine für die
nichtgemeinsamen Nachkommen
und eine für alle anderen
Pflichtteilserben, entschieden.
Schliesslich wird mit der Erbrechtsrevision
die folgende
Regelung eingeführt: Stirbt ein
Ehegatte während eines hängigen
Scheidungsverfahrens,
welches den Verlust des Pflichtteilsanspruchs
des überlebenden
Ehegatten bewirkt hätte,
so gilt eine von der gesetzlichen
Regelung abweichende
Beteiligung des überlebenden
Ehegatten am Vorschlag (bei
der Errungenschaftsbeteiligung)
bzw. am
Gesamtgut (bei der
Gütergemeinschaft)
nur dann, wenn dies
im Ehevertrag ausdrücklich
vorgesehen
ist (nArt. 217 Abs. 2
ZGB und nArt. 241
Abs. 4 ZGB).
Zahlreiche Präzisierungen
Einerseits hat der Gesetzgeber
im Rahmen der Erbrechtsrevision
für letztwillige oder lebzeitige
Zuwendungen im Zusammenhang
mit Erbverträgen
festgehalten, dass diese unter
drei kumulativen Bedingungen
anfechtbar sind (nArt. 494 Abs.
3 ZGB):
1-2022 mandat
1. es handelt sich nicht um
übliche Gelegenheitsgeschenke;
2. sie sind mit den Verpflichtungen
aus dem Erbvertrag
nicht vereinbar (beispielsweise
wenn sie die erbvertraglichen
Begünstigungen
schmälern);
3. sie wurden im Erbvertrag
nicht vorbehalten.
Eine weitere Präzisierung wurde
bei der Herabsetzung von
Versicherungsansprüchen vorgenommen.
So muss bei der
Berechnung der Pflichtteile der
ausbezahlte Betrag aus der 3.
Säule (Banksparen) hinzugerechnet
werden (nArt. 476 Abs.
2 ZGB) und kann allenfalls herabgesetzt
werden (nArt. 529
Abs. 2 ZGB).
Im Übrigen wurde auch die Reihenfolge
der Herabsetzung der
Erwerbungen und Zuwendungen
konkretisiert, wenn Pflichtteile
verletzt sind. Unerwähnt
war nach bisherigem Recht
im Gesetz, dass zunächst die
Erbanteile gemäss der gesetzlichen
Erbfolge herabzusetzen
sind. Danach sind die Zuwendungen
von Todes wegen und
erst dann die Zuwendungen
unter Lebenden herabzusetzen,
bis der verletzte Pflichtteil
wieder hergestellt ist (nArt.
532 Abs. 1 ZGB). Bei den
Zuwendungen unter Lebenden
werden zunächst die der
Hinzurechnung unterliegenden
Zuwendungen aus Ehevertrag
oder Vermögensvertrag – beispielsweise
also die von der
hälftigen Beteiligung abweichende
Vorschlagsbeteiligung
– danach die frei widerruflichen
Zuwendungen und die Leistungen
aus der gebundenen
Selbstvorsorge, und erst danach
die weiteren Zuwendungen
herabgesetzt (nArt. 532
Abs. 2 ZGB).
Neue Möglichkeiten bei
der Nachlassplanung
Insbesondere die Neuregelung
der Pflichtteile eröffnet weitere
Möglichkeiten im Rahmen der
Nachlassplanung.
Mit der Regelung Ihres Nachlasses
müssen Sie aber nicht
zuwarten bis das revidierte
Erbrecht in Kraft getreten ist.
Im Rahmen der aktuellen Erbrechtsrevision
hat der Gesetzgeber
auf den Erlass besonderer
Übergangsregeln bewusst
verzichtet. Es kommen somit
beim Inkrafttreten des neuen
schweizerischen Erbrechts
am 1. Januar 2023 die allgemeinen
Übergangsregeln des
ZGB zur Anwendung, wonach
stets dasjenige Erbrecht gilt,
welches beim Tod des Erblassers
in Kraft ist.
Aus diesem Grund ist auch
zu empfehlen, in einer allfälligen
letztwilligen Verfügung im
Hinblick auf die künftige Gesetzesänderung
auf die Nennung
konkreter Prozent- oder
Bruchzahlen bezüglich der
Pflichtteile zu verzichten.
Auch das Zusammenspiel
zwischen Erbrecht
und ehelichem Güterrecht
wurde im Rahmen der Erbrechtsrevision
angepasst.