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RECHT & PRIVAT
Die wichtigste Änderung
betrifft die bisherigen
Pflichtteile der Eltern und
Nachkommen. So werden
die Eltern des Erblassers
oder der Erblasserin in
Zukunft überhaupt nicht
mehr pflichtteilgeschützt
sein.
1-2022 mandat
die sie vor der Rechtshängigkeit
des Scheidungsverfahrens
errichtet haben, gegenwärtig
überhaupt keine Ansprüche
erheben können, kann gemäss
dem neuen Art. 120 Abs. 3
ZGB eine davon abweichende
Anordnung getroffen werden.
Ausserdem werden Ehegatten
nicht nur nach der Scheidung
keine Ansprüche aus Verfügungen
von Todes wegen mehr erheben
können, sondern auch
nach dem Tod eines Ehegatten
während des Scheidungsverfahrens,
welches den Verlust
des Pflichtteilsanspruchs des
überlebenden Ehegatten bewirkt
hätte (nArt. 120 Abs. 3
Ziff. 2 ZGB). Diese letzte Frage
war bisher gesetzlich nicht
ausdrücklich geregelt, es wurde
lediglich an den Zeitpunkt
der Errichtung der letztwilligen
Verfügung – nämlich vor der
Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens
– angeknüpft.
Des Weiteren wird mit Inkrafttreten
der Erbrechtsrevision
unter anderem neu auch bestimmt,
dass die Ehegatten
nicht bloss nach der Scheidung
gegenseitig über keinen Pflichtteilsanspruch
mehr verfügen,
sondern bereits während eines
hängigen Scheidungsverfahrens
(nArt. 472 ZGB). Dies ist
nach geltendem Recht noch
nicht der Fall.
Zwei unterschiedliche
Pflichtteilsberechnungsmassen
Mit der Erbrechtsrevision hat
der Gesetzgeber auch eine
bisher in der Lehre und Rechtsprechung
umstrittene Frage
geklärt:
Ehegatten, die unter dem gesetzlichen
Güterstand der
Errungenschaftsbeteiligung
leben, können ehevertraglich
von der gesetzlich vorgesehenen
hälftigen Teilung ihrer
beiden Vorschläge abweichen
und beispielsweise die Summe
beider Vorschläge dem
überlebenden Ehegatten zukommen
lassen. Haben diese
Ehegatten jedoch nichtHinterlässt
beispielsweise eine
Erblasserin oder ein Erblasser
neben ihrem bzw. seinem
Ehegatten keine Nachkommen,
jedoch die Eltern, so
betragen die Pflichtteile der
Eltern heute zusammen 1⁄8,
der Pflichtteil des Ehegatten
3⁄8 des Nachlasses. Die Quote,
über welche der Erblasser oder
die Erblasserin frei verfügen
kann, beträgt aktuell folglich
die Hälfte oder 4⁄8 des Nachlasses.
Nach Inkrafttreten des
revidierten Erbrechts erhöht
sich diese frei verfügbare Quote
aufgrund des Wegfalls der
Eltern als Pflichtteilserben auf
5⁄8 der Erbschaft.
Hinterlässt die Erblasserin oder
der Erblasser in einem zweiten
Beispiel einen Ehegatten und
zwei Kinder, so betrug bisher
die frei verfügbare Quote 3⁄8 des
Nachlasses. Nach den neuen
Bestimmungen des revidierten
Erbrechts beträgt diese frei
verfügbare Quote neu 4⁄8 oder
die Hälfte des Nachlasses.
Im Zusammenhang mit dem
neuen Pflichtteilsrecht nahm
der Gesetzgeber die entsprechende
Anpassung der frei
verfügbaren Quote neben der
Zuwendung der Nutzniessung
an den überlebenden Ehegatten,
die überlebende eingetragene
Partnerin oder den
überlebenden eingetragenen
Partner nach Art. 473 ZGB
vor. Die frei verfügbare Quote
beträgt in diesem Fall neu die
Hälfte des Nachlasses statt
wie bisher 1⁄4 (nArt. 473 Abs.
2 ZGB).
Erbrecht und eheliches
Güterrecht
Auch das Zusammenspiel zwischen
Erbrecht und ehelichem
Güterrecht wurde im Rahmen
der Erbrechtsrevision angepasst.
Der Grundsatz, wonach
geschiedene Ehegatten zueinander
kein gesetzliches Erbrecht
haben, bleibt dabei bestehen
(nArt. 120 Abs. 2 ZGB).
Während Ehegatten aber aus
Verfügungen von Todes wegen,
Mirco Dello Stritto,
MLaw, Fachanwalt, SAV
Erbrecht, Rechtsanwalt
und öffentlicher Notar im
Kt. St.Gallen bei Rhyner
Rechtsanwälte Notare,
Glarus und Rapperswil
gemeinsame Nachkommen,
so darf nach geltendem Recht
eine solche Vorschlagszuweisung
die Pflichtteilsansprüche
der nichtgemeinsamen Kinder
und deren Nachkommen nicht
beeinträchtigen.
Für die allfälligen gemeinsamen
Nachkommen der vorgenannten
Ehegatten stellte sich nun
folgende Frage: Gilt für alle
pflichtteilsgeschützten Erben
dieselbe Pflichtteilsberechnungsmasse
und wird die Gesamtvorschlagszuweisung
an
den überlebenden Ehegatten
dieser Pflichtteilsberechnungsmasse
hinzugerechnet? Oder
bestehen in solchen Fällen
zwei unterschiedliche Pflichtteilsberechnungsmassen,
je eine für
die nichtgemeinsamen
Nachkommen
und für alle anderen
Pflichtteilserben?
Folgt man der ersten
Ansicht, so verletzt
die güterrechtliche
Vorschlagszuweisung
an den überlebenden
Ehegatten
zwar den Pflichtteil
der gemeinsamen
Nachkommen, ihnen
steht jedoch
aufgrund der gegenwärtigen
gesetzlichen Bestimmung kein
Anspruch auf Herabsetzung
zu. Nach der zweiten Ansicht
wären hingegen nur die Pflichtteile
der nichtgemeinsamen
Nachkommen verletzt, da für
die Pflichtteilsberechnung der
anderen pflichtteilsgeschützten
Erben die güterrechtliche