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RECHT & UNTERNEHMUNG
1-2022 mandat
nes von der Betreiberin
zur Verfügung
gestellten Formulars
mit dem Begehren
auf Löschung einer
rechtswidrigen Bewertung.
In manchen
Fällen ist dafür eine
Anmeldung auf dem
Bewertungsportal
notwendig und eine
Verifikation, damit sichergestellt
werden kann, dass
es sich dabei um den tatsächlichen
Inhaber des bewerteten
Unternehmens handelt.
Die Inanspruchnahme einer
Anwältin kann zielführend sein,
wenn der Bewerter oder die
Portalbetreiberin nicht von sich
aus die rechtswidrige negative
Bewertung entfernen will.
In der Regel wird auch eine
Anwältin vorerst eine ausser
gerichtliche Streitbeilegung
anstreben: Abmahnung des
Verfassers (soweit bekannt)
und/oder der Portalbetreiberin;
Begründung, warum eine
Bewertung falsch oder in dieser
Tonalität nicht zu
rechtfertigen ist oder
gegen die Richtlinien
der Portalbetreiberin
verstösst. Weise
abwägende Anwältinnen
werden ihrer
Klientschaft deutlich
machen, dass ein
einzelner negativer
Ausreisser neben
vielen positiven kaum
eine Rufschädigung
darstellt.
So hat das Zürcher Obergericht
entschieden, dass eine
einzelne negative Restaurant-
Bewertung («falsch deklarierten
Fisch») neben 180 vorwiegend
positiven nicht schwer
ins Gewicht fällt.4
Eine Portalbetreiberin hat zwar
keine generelle Prüfpflicht bezüglich
der eingehenden Bewertungen.
5 Sie ist aber Mitwirkende.
Und als solche ist sie
zu einem Tun oder Unterlassen
verpflichtet, wenn Persönlichkeitsrechte
verletzt werden.
Spätestens nach einer Abmahnung,
wenn sie also Kenntnis
von der widerrechtlichen oder
gegen die Richtlinien verstossenden
Bewertung hat, kann
ihr Untätigbleiben als Verschulden
angelastet werden.6 Allerdings
ist sie nicht angehalten,
dem bewerteten Unternehmen
die Kontaktdaten des Bewertenden
bekanntzugeben.7
Vorsicht mit Strafklagen
Nach Verunglimpfungen erwarten
Klienten von ihren Anwälten
häufig die unverzügliche Einleitung
eines Strafverfahrens.
Doch aufgepasst: Nicht jede
Persönlichkeitsverletzung im
Sinne des Zivilgesetzbuches
(Art. 28 ZGB) ist auch eine
strafbare Ehrverletzung im Sinne
von Art. 173 ff. StGB. Qualifizierungen
wie «inkompetenter
Chef» oder «Verwaltungsrat mit
zwei blinden Augen» machen
die betroffene Person nicht
«als Mensch verächtlich», sondern
tangieren «nur» seinen
beruflichen Ruf. Eine Ehrverletzung
liegt lediglich vor, wenn
eine Äusserung den menschlichen
Charakter einer Person
in Zweifel zieht, nicht nur
seine berufliche Kompetenz.8
Die Grenzen zwischen blosser
Rufschädigung und Ehrverletzung
sind fliessend. Mit einer
zivilrechtlichen Klage ist ein
Kläger auf der sicheren Seite.
Zumal im Strafrecht auch das
absichtliche Handeln nachgewiesen
werden muss, was bisweilen
schwierig ist.9 Vorsicht
und eine genaue Abklärung ist
auch beim Vorwurf der Nötigung
(Art. 181 StGB) geboten.
Eine Frau, die einem Geschäft
anerbot, man könne über die
Beseitigung einer «unbequemen
» Rezension reden, wenn
das Geld zurückbezahlt werde,
handelte nicht nötigend. Begründung
des Bundesgerichts:
Nach bereits erfolgter Publikation
werden keine «ernsthaften
Nachteile» mehr angedroht.10
Der Nötigung macht sich nur
schuldig, wer jemanden durch
Gewalt oder unter Androhung
ernstlicher Nachteile nötigt,
etwas zu tun, zu unterlassen
oder zu dulden.
Zivilklage wegen Persönlichkeitsverletzung
Der vom Zivilrecht geregelte
Persönlichkeitsschutz reicht
weiter als der vom Strafrecht
erfasste. Jeder Bereich sozialer
Geltung, auch der berufliche
oder sportliche, wird vor
unrechtmässigen Eingriffen
geschützt.11 Die Verbreitung
von wahren Tatsachen ist
grundsätzlich durch die Meinungsäusserungsfreiheit
geschützt.
Eine Äusserung wird
nicht durch jede kleine Ungenauigkeit
unwahr oder persönlichkeitsverletzend,
sondern
nur, wenn sie in wesentlichen
Punkten nicht zutrifft und so
ein spürbar falsches Bild eines
Bewerteten zeichnet.12 Persönliche
Meinungsäusserungen
sind ebenfalls zulässig, sofern
sie aufgrund des Sachverhalts
vertretbar sind und nicht unnötig
verletzend, sprich, reine
Schmähkritik sind.13 Auch
Schmähkritik aufgrund von
wahren Tatsachen kann eine
nicht zu rechtfertigende Persönlichkeitsverletzung
sein,
wenn sie der betroffenen Person
jede Personenehre abspricht.
14 Dabei müssen sich
politische Akteure «im Rahmen
einer hitzig geführten Debatte»
mehr gefallen lassen.15
Fazit: Unwahre Äusserungen,
aber auch polemisierend zugespitzte,
schmähende Bewertungen,
die auf wahren Tatsachen
beruhen, können (ausnahms-
Online-Bewertungen sind
Teil des Konsumentenschutzes.
Sie geniessen
den verfassungsrechtlichen
Schutz der Meinungsäusserungsfreiheit.
9 BGE 6B_150/2021 E. 1.6.
10 BGE 6B_150/2021 E. 1.6.
11 BGE 147 III 185 E. 4.2.3 S. 190 und
197.
12 BGE 138 III 641 E. 4.1.2 S. 643.
13 BGE 138 III 641 E. 4.1.3 S. 644.
14 BGE 138 III 641 E. 4.1.1 S. 644.
15 EGMR vom 9. Januar 2018
18597/13 «verbaler Rassismus».
4 Obergericht ZH UE 180205-09
sowie BGer 6B_1080/2018.
5 BGE 5A_792/2011 E. 4.
6 BGE 141 III 513 E. 5.3.1 S. 515f.
ebenso BHG VI ZR 34/15.
7 BGE 136 III 508 vom 8. September
2010 sowie BHG VI ZR 345/13
«Ärztebewertung».
8 BGE 6B_150/2021 vom 11. Januar
2022 mit Verweis auf BGE 129 III
415.
Eine kritische Online-
Bewertung kann unter
Umständen auch eine
Chance sein – der
Konflikt als Teppich zur
Kommunikation.