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f) aktuellste Ereignisse
(Coronavirus)
Praktisch um den Redaktionsschluss
dieses Beitrags überschlagen
sich die Ereignisse. Der
Bundesrat hat mit der COVID-
19-Verordnung 2 Notrecht erlassen,
das auch eine Bestimmung
zum Homeoffice enthält. Durch
Art. 10c dieser Verordnung wird
die Arbeitgeberin verpflichtet,
besonders gefährdete Arbeitnehmer
ihre arbeitsvertraglichen
Pflichten von zu Hause
aus erledigen zu lassen. Ist dies
nicht möglich, so werden diese
Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin
unter Lohnfortzahlung beurlaubt.
Arbeitnehmer machen
ihre besondere Gefährdung
durch eine persönliche Erklärung
geltend. Die Arbeitgeberin kann
ein ärztliches Attest verlangen.
Damit stellen sich auch weiterführende
Fragen: Kann eine
Arbeitgeberin in solchen, ausserordentlichen
Lagen allenfalls
sogar dazu verpflichtet werden,
auch die Arbeitnehmer ohne besondere
Gefährdung zumindest
teilweise im Homeoffice arbeiten
zu lassen, wenn dies technisch
und praktisch ohne weiteres
möglich ist? Solche Ansprüche
könnten als Folge der Fürsorgepflicht
(Gesundheitsschutz) u. U.
geltend gemacht werden.
3. Privatrechtliche
Vorkehrungen
a) Grundsätzliches
Nebst Einschränkungen aus
Sicht des öffentlichen Arbeitsrechts,
allfälligen Bestimmungen
zum Homeoffice in kollektivrechtlichen
Bestimmungen (GAV) sowie
zwingenden Bestimmungen
im OR, sind Arbeitgeberin und
Arbeitnehmer grundsätzlich frei,
ihr vertragliches Verhältnis zu
gestalten. Sie können also im
Einzelarbeitsvertrag Vereinbarungen
zum Homeoffice treffen.
Zu einigen Themenkreisen ist
RECHT & UNTERNEHMUNG
1-2020 mandat
lic. iur. Markus Frei,
Rechtsanwalt, Fachanwalt
SAV Arbeitsrecht, St.Gallen
den Vertragsparteien zu empfehlen,
zur Eröffnung von Chancen
und Kalkulierbarkeit von Risiken,
schriftliche Abmachungen
zu treffen.
b) Mehrarbeit
Nebst der vertraglich angezeigten
Konkretisierung von Dauer
und Lage, der Arbeitszeit sowie
deren Erfassung ist weiteren
vertraglichen Gegenständen bei
Homeoffice besondere Beachtung
zu schenken. Unbedingt
ist der Arbeitsort bzw. die Option,
einen Teil der Arbeit zu Hause zu
verrichten, vertraglich zu regeln.
Dasselbe gilt für eine Vereinbarung,
dass die Arbeitgeberin
einseitig die Verlegung des Arbeitsorts
in den Betrieb oder
ins Homeoffice anordnen kann.
In besonderen Situationen, z. B.
im Fall einer Pandemie, kann
sich eine solche vertragliche Bestimmung
als nützlich erweisen.
Empfehlenswert ist auch eine
vertragliche Vereinbarung über
den Umfang des Arbeitspensums
zu Hause. Aufgrund der
grossen Autonomie des Arbeitnehmers
und der eingeschränkten
Kontrollmöglichkeiten der
Arbeitgeberin bei Homeoffice
liegt das Risiko der Anhäufung
von Überstunden geradezu auf
der Hand.8 Folglich ist die Arbeitgeberin
gut beraten, individuell
und schriftlich festzuhalten,
dass allfällige Überstundenarbeit
ausschliesslich zu kompensieren
oder bereits im Lohn inbegriffen
ist. Die Grenzen des Privatrechts
sind an dieser Stelle aber zu
beachten: Keine vergleichbare
vertragliche Regelung ist nämlich
bei der Anwendbarkeit der
arbeitsgesetzlichen Höchstarbeitszeit
zulässig. Arbeitszeit
über 45 bzw. 50 Stunden pro
Woche (vgl. Art. 9 Abs. 1 ArG),
d. h. Überzeit ist gestützt auf Art.
13 Abs. 1 ArG zwingend mit einem
Zuschlag von 25 % zu entschädigen
oder mit Zustimmung
des Arbeitnehmers zu kompensieren
(vgl. Art. 13 Abs. 2 ArG).
c) Weitere Vereinbarungen
Weitere Besonderheiten des
Homeoffice, wie Vereinbarungen
zur Einrichtung des Arbeitsplatzes,
Entschädigungs- und
Haftungsfragen sowie Bestimmungen
zur Datenbearbeitung
bzw. -aufbewahrung können
ebenfalls im Einzelarbeitsvertrag
oder allenfalls in einem Reglement
festgelegt werden.9 Dazu
gehört auch die Vereinbarung
über den Ersatz der Kosten für
Arbeitsmittel, Büromaterial und
dergleichen (vgl. Art. 327 OR).
4. Schlussfolgerungen
Zusammenfassend ist festzuhalten,
dass auch beim Arbeiten zu
Hause stets der konkrete Einzelfall
und die Anwendbarkeit der
rechtlichen Vorschriften sorgfältig
zu analysieren sind. Die Einführung
von Homeoffice eröffnet
in erster Linie die Chance, ein Arbeitsverhältnis
flexibel zu gestalten
und sehr individuelle Modelle
zu ermöglichen. Auch Leitungsfunktionen
von Teilzeitarbeitskräften
können durch die Einführung
des teilweisen Homeoffice
gefördert werden. In besonderen
Zeiten und Krisenfällen verfügt
die Arbeitgeberin zudem über
ein gutes Instrument zur Sicherstellung
der Arbeitsleistung
bei gleichzeitig verbessertem
Schutz der Arbeitnehmer. Der
Mut zur Einführung von Homeoffice
kann sich für Arbeitnehmer
und Arbeitgeber auszahlen. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass
die Besonderheiten des Homeoffice
spezieller vertraglicher
Abmachungen bedürfen. Es soll
bei diesen vertraglichen Vereinbarungen
aber nicht einfach darum
gehen, Risiken abzuwälzen,
sondern möglichst viel Klarheit
und eine solide Basis für das Arbeitsverhältnis
zu schaffen.
8 vgl. DOMENIG PASCAL, Homeoffice
Arbeit als besondere Erscheinungsform
im Einzelarbeitsverhältnis,
Diss., St.Gallen / Bern 2016,
S. 104
9 vgl. DOMENIG PASCAL, a.a.O.,
S. 106