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RECHT & PRIVAT
1-2020 mandat
Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse
aufgrund eines
Geschäftsgeheimnisses Dritter
21 darf angenommen werden,
wenn eine Offenlegung zu
einer wirtschaftlichen Benachteiligung
dieser Dritten führen
würde. Darunter fallen etwa
Angaben zu Organisation, Lieferanten,
Vertriebshändlern,
zum Kundenkreis, zu Marktanteilen
oder zur Preiskalkulation
und zu Umsätzen.22
Das Bundesgericht hiess eine
Beschwerde gegen einen Entscheid
des St.Galler Verwaltungsgerichts
gut, indem es
urteilte, die politische Gemeinde
Wittenbach müsse Einsicht
in Dokumente gewähren, aus
welchen die Vertragsabschlüsse
zwischen ihr und der Verwaltungsrechenzentrum
AG St.
Gallen hervorgingen. Es handle
sich dabei zwar um detaillierte
Leistungsumschreibungen,
deren Kenntnis würden aber
keine Rückschlüsse auf das
Geschäftsmodell der VRSG ermöglichen.
Gesuchstellerin und
Beschwerdeführerin war die
Abacus Research AG (Wittenbach),
ebenfalls ein IT-Unternehmen.
23
MLaw Karin Blöchlinger,
Rechtsanwältin und
öffentliche Notarin
Uznach
Das Öffentlichkeitsgesetz
kommt nicht zur Anwendung
in hängigen Verfahren
der Zivil-, Straf- oder
Verwaltungsrechtspflege.
Es gelten dort die Regeln
des jeweiligen Verfahrensrechts.
21 Art. 6 Abs. 3 Bst. c) OeffG/SG
22 BGE 142 II 268 E. 5.2.2. f.; Urteil
BGer 1C_665/2017 vom 16.01.2019
E. 3.3.; Entscheid VerwGE SG B
2018/171 vom 21.01.2019 E. 3.3.2.
betr. Zahlungen der Uni-Bibliothek
an verschiedene Fach-Verlage; Entscheid
VerwGE SG B 2016/192 vom
26.10.2017 E. 3.1.1.; B 2016/98
vom 26.10.2017 E. 3.1.1.
23 Urteil BGer 1C_665/2017 vom
16.01.2019 E. 5.5.
24 Art. 2 Abs. 1 OeffG/SG
25 Entscheid VerwGE B 2019/116 vom
14.11.2019 E. 3.3.1.
26 Art. 3 OeffG/SG
27 Art. 39quater VRP/SG; Entscheid
VerwGE B 2019/116 vom
14.11.2019 E. 3.3.2.
28 Art. 2 Abs. 2 OeffG/SG
29 Art. 7 Abs. 1 OeffG/SG
30 Entscheid Appellationsgericht BS
VD.2017.134 vom 07.03.2018
E.3.2.
31 Art. 60 KV/SG
32 www.oeffentlichkeitsgesetz.ch/
deutsch/die-kantone/st-gallen/,
besucht am 27.02.2020.
33 Evaluation des Bundesgesetzes
über das Öffentlichkeitsprinzip der
Verwaltung (BGÖ), 09.12.2014,
S. 19; HUSI-STÄMPFLI SANDRA,
Das Öffentlichkeitsprinzip – und
ewig grüsst die Skepsis, in: Jusletter
27.05.2019, Rz 18.
Wo gilt das Öffentlichkeitsgesetz
nicht?
Das Öffentlichkeitsgesetz kommt
nicht zur Anwendung in hängigen
Verfahren der Zivil-, Straf-
oder Verwaltungsrechtspflege.
Es gelten dort die Regeln des
jeweiligen Verfahrensrechts.24
In einem Leitentscheid des
Verwaltungsgerichts
St.Gallen
wurde entschieden, es handle
sich nicht um ein laufendes
Verwaltungsverfahren im Sinne
von Art. 2 Abs. 1 OeffG/SG,
sofern es nicht um die Akteneinsicht
in konkrete oder abgeschlossene
Verfahren gehe,
sondern um den Zugang zur
Praxis einer Rekursinstanz in
einer bestimmten Rechtsfrage
an sich.25
Zudem sind Spezialbestimmungen
der Anwendbarkeit
des Öffentlichkeitsgesetzes
vorbehalten.26 So kann bspw.
ein Gericht gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip
nicht dazu
verpflichtet werden, sämtliche
Entscheide in einer bestimmten
Sache herauszugeben. Zu
veröffentlichen sind nur jene
von grundsätzlicher Bedeutung.
27 Möchte man Zugang zu
Personendaten erhalten, richtet
sich dieser nach dem kantonalen
Datenschutzgesetz.28
Vom Öffentlichkeitsprinzip nicht
erfasst werden schliesslich inhaltliche
Bearbeitungen von
hängigen
Geschäften oder
nicht öffentliche Verhandlungen
(im Gegensatz zu Entscheidungen!).
Ebenfalls keine Auskunftserteilung
erfolgt, soweit
das Gemeinwesen in einem
Bereich am wirtschaftlichen
Wettbewerb teilnimmt und
nicht hoheitlich handelt.29 Dies
ist bspw. dann der Fall, wenn
der Kanton nebst der Sportanlage
auch einen Kiosk oder ein
Restaurant betreibt.30
Persönliche Würdigung
Vor allem marktmächtige Behörden
und Institutionen, die
öffentliche Aufgaben wahrnehmen,
tun sich noch schwer mit
der neuen Gesetzgebung, die
für sich schon eine Zangengeburt
war. Die sanktgallische
Verfassung kennt das Öffentlichkeitsprinzip
seit dem Jahr
2003.31 Erst elf Jahre später hat
der Kantonsrat das
Gesetz verabschiedet.
Dagegen gewehrt
hatten sich die
bürgerlichen Parteien
und die Gemeinden.
32 Ebenso gibt
es auf kantonaler
Ebene weder einen
Öffentlichkeitsbeauftragten,
noch eine
Fachstelle für das Öffentlichkeitsgesetz,
wie beispielsweise in
den Kantonen Graubünden,
Zürich und Zug. Auch
ein Schlichtungsverfahren ist
nicht vorgesehen. Der Rechtsweg
ist nicht nur teuer, sondern
dauert unter Umständen
so lange, dass ein beantragtes
Dokument bei Auskunftserteilung
nicht mehr interessant ist.
Das Öffentlichkeitsgesetz des
Kantons St.Gallen fristet im
Kantonsvergleich noch das Dasein
eines Mauerblümchens.33
Das Pflänzlein erhält oft erst
nach einem (juristischen) Gewitter
Wasser. Defensiv berufen
sich viele Behörden auf eine
Ausnahme, statt die Regel der
Ausnahme voranzustellen.
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