RECHT & UNTERNEHMUNG 19
1-2020 mandat
2. Die Hauptgründe
für die Revision des
Verjährungsrechts
Das Recht des Schuldners, die
Erfüllung der geschuldeten Forderung
nach Ablauf einer bestimmten
Zeit zu verweigern,
führte in der Vergangenheit
immer wieder dazu, dass die
Forderung bereits verjährt war,
bevor der Geschädigte überhaupt
vom erlittenen Schaden
Kenntnis hatte. Dies war insbesondere
bei Erkrankungen
durch Asbest der Fall. Damit
solche Spätschäden besser
geltend gemacht werden können,
wurden die Verjährungsfristen
insbesondere bezüglich
Personenschäden entsprechend
angepasst.
Gleichzeitig wurden auch die
– im internationalen Vergleich
untypisch kurzen – Fristen zur
Geltendmachung von Schäden
aus unerlaubter Handlung und
ungerechtfertigter Bereicherung
verlängert.3
3. Die neuen
Verjährungsfristen
3.1. Forderungen aus Vertrag
Die Verjährungsfristen für
Forderungen, denen ein Vertragsverhältnis
zugrunde liegt,
haben sich einzig bezüglich
der Schadenersatzforderungen
infolge von Personenschäden
geändert. Demgegenüber
sind sowohl die Grundsatznorm,
wonach alle Forderungen
aus Vertrag spätestens
nach zehn Jahren verjähren 4,
als auch die speziellen Regelungen
(z. B. für Forderungen
von Miet- und Pachtzinsen,
aus Arbeitsverhältnissen 5, aus
Gewährleistungen für Mängel
einer gekauften Sache 6 oder
aus Werkvertrag 7) unverändert
geblieben.
Mit Art. 128a OR hat per 1.1.
2020 ein weiterer Spezialtatbestand
Aufnahme ins vertragliche
Verjährungsrecht gefunden.
So kann die Forderung
für einen Personenschaden,
welcher auf ein vertragswidriges
Verhalten zurückzuführen
ist, innert drei Jahren ab
Kenntnis des Schadens geltend
gemacht werden (relative
Frist). Dies allerdings nicht unbeschränkt
lange: Der Gläubiger
hat hierfür neu maximal 20
Jahre (absolute Frist) seit dem
schädigenden Ereignis Zeit.
Sind diese 20 Jahre vorbei, ist
die Forderung definitiv verjährt.
Vor der Revision galt einzig eine
(ordentliche) zehnjährige Frist
seit dem schädigenden Ereignis,
innert welcher die Forderung
geltend zu machen war.
3.2. Forderungen aus
unerlaubter
Handlung und
aus ungerechtfertigter
Bereicherung
Geändert wurden auch die Verjährungsfristen
im Delikts- und
Bereicherungsrecht, dem sog.
ausservertraglichen Haftpflichtrecht.
Unabhängig vom Rechtsgrund
(Personen-, Sach- oder
Vermögensschaden) gilt seit
dem 1.1.2020 für Forderungen,
die auf eine unerlaubte Handlung
oder eine ungerechtfertigte
Bereicherung zurückzuführen
sind, eine relative Verjährungsfrist
von drei Jahren 8 – und
nicht mehr von einem Jahr –
ab Kenntnis des Schadens und
der ersatzpflichtigen Person.
Wie bei den vertraglichen Ansprüchen
bleibt die absolute
Verjährungsfrist von zehn Jahren
grundsätzlich auch bei den
ausservertraglichen Ansprüchen
bestehen. Davon ausgenommen
sind jedoch wiederum
Forderungen aus Personenschäden,
d.h. aus Schäden,
welche aus der Körperverletzung
oder der Tötung eines
Menschen resultieren. Auch im
ausservertraglichen Haftpflichtrecht
wurde die diesbezügliche
absolute Verjährungsfrist von
zehn auf zwanzig Jahre verlängert.
9
Um der Vollständigkeit
willen ist
in diesem Zusammenhang
zu erwähnen,
dass für
Forderungen, die
auf eine strafbare
Handlung zurückzuführen
sind, die Verjährungsfrist
des Strafrechts auch für
den zivilrechtlichen Anspruch
gilt, sofern die strafrechtliche
Verjährungsfrist länger ist.10
4. Hemmung und Stillstand
der Verjährung
Der Unterschied zwischen der
Unterbrechung der Verjährung
einerseits und der Hemmung 11
bzw. dem Stillstand der Verjährung
anderseits liegt in der
jeweiligen Wirkung auf die Verjährungsfrist.
Bei der Unterbrechung
beginnt die Verjährungsfrist
mit ihrer
gesamten Dauer
von Neuem zu laufen.
12 Demgegenüber
kann die Frist
bei der Hemmung
noch gar nicht
zu laufen beginnen
– sie beginnt
stattdessen erstmals
nach dem
Wegfall des Hemmungsgrundes
zu
laufen. Beim Stillstand
steht die Verjährungsfrist
schliesslich entsprechend
dem Wortlaut still. Nach dem
Wegfall des Stillstandsgrundes
läuft sie dort weiter, wo sie sich
vor Eintritt des Stillstands zeitlich
befand.13
Die Verjährung bedeutet,
dass eine Forderung ab
einem bestimmten Zeitpunkt
nicht mehr durchgesetzt
werden kann.
Der Unterschied zwischen
der Unterbrechung der
Verjährung einerseits und
der Hemmung bzw. dem
Stillstand der Verjährung
anderseits liegt in der
jeweiligen Wirkung auf die
Verjährungsfrist.
3 Vgl. z. B. SCHWEIZERISCHES
INSTITUT FÜR RECHTSVERGLEICHUNG,
Gutachten zum Recht
der Verjährung in Deutschland,
Frankreich, England und Dänemark,
Lausanne 28.11.2011.
4 Art. 127 OR.
5 5 Jahre; Art. 128 OR.
6 2 Jahre; Art. 210 OR.
7 2 Jahre bei beweglichem Werk,
5 Jahre bei unbeweglichem Werk;
Art. 371 OR.
8 Art. 60 Abs. 1 OR betr. unerlaubte
Handlung; Art. 67 Abs. 1 OR betr.
ungerechtfertigte Bereicherung.
9 Art. 60 Abs. 1bis OR.
10 Art. 60 Abs. 2 OR. Für weiterführende
Informationen siehe CHRISTOPH
BERGAMIN in: WALTER FELLMANN
(Hrsg.), Das neue Verjährungsrecht,
Bern 2019, S. 35 ff.
11 Das Gesetz spricht von Hinderung,
vgl. Art. 134 OR.
12 Art. 137 Abs. 1 OR.
13 Art. 134 Abs. 2 OR.