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 RECHT & UNTERNEMUNG 
 2-2017 mandat 
 tantiierung des eigenen Standpunkts  
 sind mit der Einführung  
 der  schweizerischen  Zivilprozessordnung  
 vor  einigen  Jahren  
 erheblich  gestiegen  und  
 führen  häufig  dazu,  dass  berechtigte  
 Ansprüche nicht geschützt  
 werden. Dazu kommen  
 – im Kanton St. Gallen schlimmer  
 als  etwa  in  Zürich  –  die  
 Prozesskosten: Während man  
 früher  unter  der  kantonalen  
 Prozessordnung  bei  der  Einschreibung  
 einer  Klage  eine  
 Gebühr in dreistelliger Höhe zu  
 zahlen hatte, muss man heute  
 tief  in  die  Tasche  greifen,  nur  
 damit  sich  das  Gericht  überhaupt  
 mit  der  Sache  befasst.  
 Als Beispiel: Von einem Unternehmer, 
   der  seinen  Werklohn  
 von  rund  CHF  600’000.–  einklagte, 
   verlangte  das  st.  gallische  
 Handelsgericht  einen  
 Kostenvorschuss  von  nicht  
 weniger  als  CHF  50’000.–!  
 Wäre  es  nicht  zu  einem  Vergleich  
 mit  der  Bauherrin  
 gekommen  
 und  beispielsweise  
 eine  Expertise  notwendig  
 geworden,  
 hätten  weitere  Vorschüsse  
 in  fünfstelliger  
 Höhe  geleistet  
 werden  müssen.  
 Wer kann sich heute  
 einen Prozess überhaupt  
 noch  leisten?  
 Die  Klage  ist  nicht  
 neu,  aber  die  Antwort  
 kennt  man:  
 nur  sehr  wohlhabende  oder  
 finanziell schwache Personen,  
 letztere  dank  unentgeltlicher  
 Rechtspflege. Der Mittelstand,  
 ob unterer oder oberer ist egal,  
 trägt  ein  grosses  Risiko,  wegen  
 Gerichts-,  Expertise  und  
 Anwaltskosten  finanziell  zu  
 stranden. 
 Prozessieren in Ehesachen  
 im Besonderen 
 In  Ehesachen  wird einem das  
 Prozessieren  aus  anderen  
 Gründen  nicht  schmackhaft  
 gemacht: Im gesellschaftlichen  
 und vertraglichen Bereich (ausgenommen  
 AG  und  GmbH)  
 bestehen  seit  der  Einführung  
 von ZGB und OR weitgehend  
 unveränderte Vorschriften und  
 kommen  Gesetzesrevisionen  
 selten  vor;  hingegen  kann  es  
 im Familienrecht mit Änderungen  
 nicht  rasch  genug  gehen  
 und  hält  die  Qualität  der  neuen  
 Regelungen  mit  der  Geschwindigkeit  
 ihrer Einführung  
 nicht  Schritt.  Überhaupt  nicht  
 optimal  umgesetzt  wird  das  
 gesellschaftliche  Anliegen,  
 den  Unterhalt  für  die  Betreuung  
 der minderjährigen Kinder  
 unabhängig  vom  Zivilstand,  
 also  auch  zugunsten  von  ledigen  
 Müttern  oder  Vätern  zu  
 gewährleisten.  Das  neue,  seit  
 diesem  Jahr  geltende  Recht  
 sagt  nicht,  wie  der  Bar-  und  
 der  Betreuungsunterhalt  für  
 die  Kinder  berechnet  werden  
 sollen.  Seither  schreiben  sich  
 die Gelehrten die Finger wund,  
 und es herrscht ein Wildwuchs  
 an Berechnungsmethoden. Jedes  
 Kreisgericht rechnet nach  
 eigener  Methode.  Das  Kantonsgericht  
 hat  zwar  letzthin  
 einen  Pilotentscheid  gefällt,  
 der aber der gesellschaftlichen  
 Entwicklung  zuwiderläuft  und  
 in  Fachkreisen  Kopfschütteln  
 ausgelöst  hat;  es  ist  fraglich,  
 ob  das  Bundesgericht  gleich  
 entscheiden  würde.  Anwältinnen  
 und Anwälte wissen heute  
 daher kaum, wie das Resultat,  
 d.h.  das  Urteil  lauten  könnte.  
 Wie soll man da seine Klienten  
 beraten?  Es  wundert  nicht,  
 wenn  ein  erfahrener  Anwalt  
 letzthin  meinte,  das  Prozessieren  
 in  Scheidungssachen  
 stelle  für  sich  allein  schon  einen  
 Kunstfehler dar… 
 Alternative Streitbeilegungsmethoden 
 1. Mediation 
 Wer  klar  denkt  bzw.  in  einem  
 Streit  überhaupt  in  der  Lage  
 ist,  klar  zu  denken,  wird  sich  
 nicht auf ein Gerichtsverfahren  
 einlassen, sondern den Konflikt  
 im  Rahmen  einer  sogenannt  
 alternativen Streitbeilegung zu  
 lösen versuchen. Die Mediation  
 stellt einen möglichen (schwierigen) 
   Weg  zur  aussergerichtlichen  
 Streitbeilegung  dar.  Bei  
 allen unbestreitbaren Vorteilen  
 sind  die  Nachteile  gewichtig:  
 Die Mediation lässt sich oft nur  
 sehr  schwierig  durchführen,  
 weil  der  Beziehungskonflikt  
 (noch) überwiegt und/oder ein  
 erhebliches  Ungleichgewicht  
 in finanzieller Hinsicht (eigenes  
 Geschäft, Verwaltung des Vermögens, 
   Liegenschaften  etc.)  
 zwischen  den  Parteien,  seien  
 es  Gesellschafter  oder  Ehegatten, 
   besteht.  Die  Mediatoren  
 dürfen weder beraten noch  
 können  sie  Entscheidungshilfen  
 anbieten.  Sie  leiten  das  
 Verfahren,  aber  inhaltlich  sind  
 die  Parteien  auf  sich  selber  
 gestellt.  Ihnen  fehlt  so  oft  die  
 individuelle  (anwaltliche)  Unterstützung, 
  der Austausch mit  
 einer vertrauten Person.   
 2. Collaborative   
 Law & Practice (CLP)  
 CLP  vereinigt  viele  Vorteile  
 verschiedener Konfliktlösungsmodelle. 
   Es  steht  bezüglich  
 Offenheit des Verhandelns der  
 Mediation am nächsten, bietet  
 den  einzelnen  Parteien  aber  
 auch  eine  individuelle  Betreuung  
 und  fachliche  Beratung  
 durch  ihren  Anwalt  oder  ihre  
 Anwältin.  Je  nach  Situation  
 werden  neben  den  Anwälten  
 (Collaborative Lawyers) weitere  
 Fachpersonen (Finanzexpertinnen, 
  Steuerfachleute, Coaches  
 für  Paare,  Familien,  Kinder  
 usw.) beigezogen, die denselben  
 Grundsätzen wie die CLPAnwälte  
 verpflichtet sind. 
 Was ist Collaborative  
 Law & Practice? 
 In  und  angrenzend  an  die  
 Stadt St. Gallen gibt es mittlerweile  
 zwölf  CLP-Anwältinnen  
 und  -Anwälte.  Sie  sind  zwar  
 weiterhin  täglich  damit  beschäftigt, 
   die  Interessen  ihrer  
 Klienten  in  strittigen  Verhandlungen  
 und vor Gericht zu vertreten, 
  ziehen es aufgrund der  
 damit  verbundenen  negativen  
 Erfahrungen aber vor, Konflikte  
 im CLP-Verfahren zu lösen.  
 Sie  müssen  dabei  vollständig  
 umdenken  und  nehmen  einen  
 Paradigmenwechsel  vor.  
 Sie  verhandeln  –  anders  als  
 Wer in der Lage ist, klar  
 zu denken, wird sich nicht  
 auf ein Gerichtsverfahren  
 einlassen, sondern den  
 Konflikt im Rahmen einer  
 sogenannt alternativen  
 Streitbeilegung zu lösen  
 versuchen.