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 RECHT & UNTERNEHMUNG 
 2-2017 mandat 
 oft  in  «normalen»  Verhandlungen  
 –  ohne  taktische  Finten,  
 ohne  Ausnützen  mangelnder  
 Kenntnisse  der  Gegenpartei  
 und  ohne  Drohung  mit  einem  
 Verhandlungsabbruch oder gar  
 mit dem Gang ans Gericht. Auf  
 einseitige Schritte, um die andere  
 Partei  vor  Tatsachen  zu  
 stellen,  wird  verzichtet.  Beschlüsse  
 werden  an  Besprechungen  
 mit  allen  Beteiligten  
 gefasst,  das  Wohl  der  Nachscheidungsfamilie  
 oder  jenes  
 der Partner bei Auflösung einer  
 Gesellschaft  steht  mit  im  Fokus. 
  Die Anwälte spielen nicht  
 Macht  gegen  Recht  aus.  Sie  
 unterstützen  zwar  ihre  Mandanten  
 darin,  ihre  Interessen  
 optimal einzubringen. Sie werden  
 sie  aber  auch  ermutigen,  
 die  Interessen  der  Mitgesellschafter, 
   der  Vertragspartner  
 oder  der  Ehegatten  und  der  
 Kinder  zu  berücksichtigen.  
 Nicht das Maximum für einen,  
 sondern das Optimum für alle  
 ist  das  Ziel.  Die  Rolle  der  Anwälte  
 unterliegt  dabei  einem  
 grundsätzlichen  Wandel:  Sie  
 haben  einen  Doppelauftrag,  
 indem  sie  sich  einerseits  für  
 die Interessen ihrer Mandanten  
 umfassend  einsetzen,  gleichzeitig  
 aber  auch  die  Verantwortung  
 für  ein  konstruktives  
 Verfahren  in  völliger  Offenheit  
 tragen.  Selbstverständlich  ist  
 dies  nur  möglich,  wenn  auf  
 beiden Seiten nach dem CLPModell  
 verfahren wird und die  
 gleichen Grundsätze gelten.  
 Zurzeit  sind  in  der  Region  
 St.  Gallen  sodann  zwei  Coaches  
 sowie  eine  Finanzexpertin, 
   alle  ebenfalls  mit  CLPAusbildung, 
  tätig. Gerade zum  
 Schutz von Geschäftsgeheimnissen  
 bietet  sich  die  Lösung  
 mit  einer  Finanzexpertin  an;  
 unter  Umständen  erhält  nur  
 sie Einsicht in die notwendigen  
 Unterlagen und unterrichtet die  
 Beteiligten über die daraus zu  
 ziehenden Schlüsse. Die CLPAnwältinnen  
 und -anwälte wie  
 die  Coaches  und  die  Finanzexpertin  
 haben sich spezifisch  
 weiterzubilden. Alle treffen sich  
 regelmässig  zum  Erfahrungsaustausch. 
 Das Collaborative  
 Law 
 Verfahren 
 Es  werden  verschiedene  
 Schritte  durchlaufen  mit  Verhandlungen  
 zwischen Anwältin  
 und Klient, zwischen den beiden  
 Anwälten allein und unter  
 allen Beteiligten. Das Verfahren  
 ist daher relativ aufwendig. Aufwand  
 und vor allem auch Kosten  
 werden jedoch gegenüber  
 einem  Verfahren  vor  Gericht  
 bei  weitem  aufgewogen,  da  
 Gerichtskosten  gespart  oder  
 vermindert  werden  können,  
 keine  aufwendigen  Rechtsschriften  
 notwendig  sind  und  
 allfällige  Expertisekosten  tiefer  
 gehalten  werden  können.  
 Viel entscheidender ist jedoch,  
 dass Lösungen gefunden werden, 
  die Hand und Fuss haben  
 und hinter denen alle Beteiligten  
 stehen können. Es gibt nur  
 Gewinner und keine Verlierer:  
 Frühere  Mitgesellschafter  und  
 Geschäftspartner können sich  
 auch künftig in die Augen sehen, 
   die  Elternbeziehung  ist  
 nicht  nachhaltig  gestört,  und  
 die Kinder sind nicht die Leidtragenden  
 der strittigen Scheidung  
 ihrer Eltern. 
 Verhandlungsregeln 
 Im CLP-Verfahren  verpflichten  
 sich  die  Parteien  zusammen  
 mit ihren Anwältinnen oder Anwälten  
 in  einer  Vereinbarung,  
 die  Grundregeln  dieses  Modells  
 einzuhalten  (nähere  Angaben  
 finden  Sie  unter  www. 
 clp.ch):  
 – Die Verhandlungen  basieren  
 auf  Fairness,  gegenseitigem  
 Respekt und Treu und Glauben  
 und  werden  in  völliger  
 Offenheit geführt. 
 – Die  Parteien  sind  bereit,  zu  
 Gunsten  von  gemeinsamen  
 Lösungen  die  relevanten  
 Tatsachen offenzulegen, gegenüber  
 der  anderen  Partei  
 auf das Anwaltsgeheimnis zu  
 verzichten und Kompromisse  
 einzugehen. 
 – Versehen  der  Gegenseite  
 nutzen  die  Parteien  nicht  
 aus, sondern weisen im Gegenteil  
 darauf  hin,  damit  sie  
 korrigiert werden können.  
 – Solange  verhandelt  wird,  
 lic. iur. Franciska Hildebrand 
 Fachanwältin SAV   
 Familienrecht 
 Mediatorin SAV  
 Rechtsanwältin und Notarin 
 St. Gallen 
 Dr. iur. Andreas Wiget 
 Fachanwalt SAV Haftpflicht-  
 und Versicherungsrecht  
 Rechtsanwalt und Notar 
 St. Gallen 
 verändert  eine  Partei  die  tatsächlichen  
 Verhältnisse  nicht  
 zum Nachteil der anderen und  
 trifft keine nachteiligen Vermögensdispositionen. 
 – Verletzt der eigene Mandant  
 das  Gebot  fairen  Verhandelns, 
   muss  das  Mandat  
 niedergelegt werden. 
 – Ebenfalls  niederzulegen  ist  
 das  Mandat,  wenn  die  aussergerichtlichen  
 Verhandlungen  
 scheitern; selbst das Androhen  
 gerichtlicher Schritte  
 ist verboten. 
 Fazit 
 Wer bereit ist, in einem offenen  
 und  fairen  Verhandlungsklima  
 das Optimum zu suchen und  
 mit  den  Beteiligten  auf  eine  
 Lösung  hinzuarbeiten,  die  allen  
 Interessen Rechnung trägt  
 und  eine  konfliktfreie  Zukunft  
 ermöglicht, kommt um eine alternative  
 Streiterledigung nicht  
 herum.