9
RECHT & UNTERNEHMUNG
2-2017 mandat
oft in «normalen» Verhandlungen
– ohne taktische Finten,
ohne Ausnützen mangelnder
Kenntnisse der Gegenpartei
und ohne Drohung mit einem
Verhandlungsabbruch oder gar
mit dem Gang ans Gericht. Auf
einseitige Schritte, um die andere
Partei vor Tatsachen zu
stellen, wird verzichtet. Beschlüsse
werden an Besprechungen
mit allen Beteiligten
gefasst, das Wohl der Nachscheidungsfamilie
oder jenes
der Partner bei Auflösung einer
Gesellschaft steht mit im Fokus.
Die Anwälte spielen nicht
Macht gegen Recht aus. Sie
unterstützen zwar ihre Mandanten
darin, ihre Interessen
optimal einzubringen. Sie werden
sie aber auch ermutigen,
die Interessen der Mitgesellschafter,
der Vertragspartner
oder der Ehegatten und der
Kinder zu berücksichtigen.
Nicht das Maximum für einen,
sondern das Optimum für alle
ist das Ziel. Die Rolle der Anwälte
unterliegt dabei einem
grundsätzlichen Wandel: Sie
haben einen Doppelauftrag,
indem sie sich einerseits für
die Interessen ihrer Mandanten
umfassend einsetzen, gleichzeitig
aber auch die Verantwortung
für ein konstruktives
Verfahren in völliger Offenheit
tragen. Selbstverständlich ist
dies nur möglich, wenn auf
beiden Seiten nach dem CLPModell
verfahren wird und die
gleichen Grundsätze gelten.
Zurzeit sind in der Region
St. Gallen sodann zwei Coaches
sowie eine Finanzexpertin,
alle ebenfalls mit CLPAusbildung,
tätig. Gerade zum
Schutz von Geschäftsgeheimnissen
bietet sich die Lösung
mit einer Finanzexpertin an;
unter Umständen erhält nur
sie Einsicht in die notwendigen
Unterlagen und unterrichtet die
Beteiligten über die daraus zu
ziehenden Schlüsse. Die CLPAnwältinnen
und -anwälte wie
die Coaches und die Finanzexpertin
haben sich spezifisch
weiterzubilden. Alle treffen sich
regelmässig zum Erfahrungsaustausch.
Das Collaborative
Law
Verfahren
Es werden verschiedene
Schritte durchlaufen mit Verhandlungen
zwischen Anwältin
und Klient, zwischen den beiden
Anwälten allein und unter
allen Beteiligten. Das Verfahren
ist daher relativ aufwendig. Aufwand
und vor allem auch Kosten
werden jedoch gegenüber
einem Verfahren vor Gericht
bei weitem aufgewogen, da
Gerichtskosten gespart oder
vermindert werden können,
keine aufwendigen Rechtsschriften
notwendig sind und
allfällige Expertisekosten tiefer
gehalten werden können.
Viel entscheidender ist jedoch,
dass Lösungen gefunden werden,
die Hand und Fuss haben
und hinter denen alle Beteiligten
stehen können. Es gibt nur
Gewinner und keine Verlierer:
Frühere Mitgesellschafter und
Geschäftspartner können sich
auch künftig in die Augen sehen,
die Elternbeziehung ist
nicht nachhaltig gestört, und
die Kinder sind nicht die Leidtragenden
der strittigen Scheidung
ihrer Eltern.
Verhandlungsregeln
Im CLP-Verfahren verpflichten
sich die Parteien zusammen
mit ihren Anwältinnen oder Anwälten
in einer Vereinbarung,
die Grundregeln dieses Modells
einzuhalten (nähere Angaben
finden Sie unter www.
clp.ch):
– Die Verhandlungen basieren
auf Fairness, gegenseitigem
Respekt und Treu und Glauben
und werden in völliger
Offenheit geführt.
– Die Parteien sind bereit, zu
Gunsten von gemeinsamen
Lösungen die relevanten
Tatsachen offenzulegen, gegenüber
der anderen Partei
auf das Anwaltsgeheimnis zu
verzichten und Kompromisse
einzugehen.
– Versehen der Gegenseite
nutzen die Parteien nicht
aus, sondern weisen im Gegenteil
darauf hin, damit sie
korrigiert werden können.
– Solange verhandelt wird,
lic. iur. Franciska Hildebrand
Fachanwältin SAV
Familienrecht
Mediatorin SAV
Rechtsanwältin und Notarin
St. Gallen
Dr. iur. Andreas Wiget
Fachanwalt SAV Haftpflicht-
und Versicherungsrecht
Rechtsanwalt und Notar
St. Gallen
verändert eine Partei die tatsächlichen
Verhältnisse nicht
zum Nachteil der anderen und
trifft keine nachteiligen Vermögensdispositionen.
– Verletzt der eigene Mandant
das Gebot fairen Verhandelns,
muss das Mandat
niedergelegt werden.
– Ebenfalls niederzulegen ist
das Mandat, wenn die aussergerichtlichen
Verhandlungen
scheitern; selbst das Androhen
gerichtlicher Schritte
ist verboten.
Fazit
Wer bereit ist, in einem offenen
und fairen Verhandlungsklima
das Optimum zu suchen und
mit den Beteiligten auf eine
Lösung hinzuarbeiten, die allen
Interessen Rechnung trägt
und eine konfliktfreie Zukunft
ermöglicht, kommt um eine alternative
Streiterledigung nicht
herum.