
12
lich beurkundeten Ehevertrag
abgeschlossen, in dem neben
der Gütertrennung auch eine
Vertragsklausel für den Fall der
Ehescheidung aufgenommen
worden war. Gemäss dieser
hatte sich der deutlich finanzkräftigere
Ehemann zu nachehelichem
Unterhalt in der Höhe
von monatlich CHF 20’000.00
verpflichtet. Nach Scheitern
der kinderlos gebliebenen Ehe
stellte sich die Ehefrau auf den
Standpunkt, dass die Scheidungsvorausvereinbarung
gültig
abgeschlossen sei und damit
auch die vertragliche Pflicht zur
Leistung von nachehelichem
Unterhalt bestehe. Beide Vorinstanzen
verneinten die Gültigkeit
der Vorausvereinbarung.
Das Bundesgericht erinnert in
BGE 145 III 477 daran, dass
im Falle einseitiger Scheidungsklagen
Vorausvereinbarungen
bereits bisher als gültig erachtet
werden. Diejenige Partei, die sich
nicht mehr an die Vorausvereinbarung
gehalten sehen wolle,
müsse beim Gericht deren Nichtgenehmigung
beantragen. Darüber
hinaus seien Scheidungsvorausvereinbarungen
allerdings
laut der in der Lehre kontrovers
diskutierten Auffassung unabhängig
von der Art der Einleitung
des Scheidungsverfahrens
(Scheidungsvereinbarung oder
Scheidungsklage) allgemein gültig
und vom Gericht zu beachten,
womit den Ehegatten jeweils nur
noch die Option offensteht, die
Nichtgenehmigung der gültig
abgeschlossenen Vorausvereinbarung
zu beantragen.
Da die Genehmigungsfähigkeit
der Vorausvereinbarung gar
nicht hinreichend geprüft worden
war, wies das Bundesgericht
den Fall an die Vorinstanz
zurück. Dieses Ergebnis ist
umso bemerkenswerter, als das
Bundesgericht in den nicht amtlich
publizierten Erwägungen die
gesetzlichen Voraussetzungen
für die Zusprechung für nachehelichen
Unterhalt (Art. 125
ZGB) – wie die beiden Vorinstanzen
vor ihr – als Folge der kurzen
Ehedauer und der Kinderlosigkeit
im konkreten Fall verneinte
(Bger. 5A_778/2018, E. 4.4).
RECHT & PRIVAT
Ehevertrag (Art. 182 ff. ZGB) und
der Scheidungsvereinbarung
(Art. 111 f. ZGB; Art. 279 ZPO),
in der Praxis häufig Scheidungskonvention
genannt.
Scheidungskonventionen werden
von den Ehegatten dem
Gericht eingereicht, wobei man
zwischen Vereinbarungen mit
vollständiger Einigung über alle
Scheidungsfolgen oder solchen
mit bloss teilweiser Einigung unterscheidet
(Art. 111 bzw. Art.
112 ZGB). Im Gegensatz zur
eigentlichen Scheidungskonvention
handelt es sich bei der
Scheidungsvorausvereinbarung
um eine vertragliche Regelung
von Scheidungsfolgen, die noch
ohne konkreten Scheidungshorizont
erfolgt. Bei der Scheidungsvorausvereinbarung
fehlt
also noch der eigentliche Scheidungswille.
Eheverträge bezwecken eine
Veränderung beim ehelichen
Güterrecht, indem etwa statt
des gesetzlichen Güterstands
der Errungenschaftsbeteiligung
die Gütertrennung
gewählt wird. Eheverträge
müssen in der
Schweiz zwingend
öffentlich beurkundet
werden (Art. 184 ZGB). Im
Gegensatz dazu sind Vorausvereinbarungen
formlos gültig
und nicht auf das Güterrecht
beschränkt. Da die Scheidung
regelmässig auch die güterrechtliche
Auseinandersetzung
umfasst und für das Abweichen
vom gesetzlichen Güterstand die
öffentliche Beurkundung zwingend
vorgeschrieben ist, dürfte
für Scheidungsvorausvereinbarungen
in der Praxis meist die
Formvorschrift der öffentlichen
Beurkundung gewählt werden.
C) Gültigkeit von Scheidungsvorausvereinbarungen:
«Drum
prüfe wer sich bindet»
Dem Entscheid BGE 145 III
477 lag folgender Sachverhalt
zugrunde. Die Ehegatten hatten
einen Tag vor der Hochzeit
vor einem Notar einen öffent-
D) Verhandeln auf
Augenhöhe zwischen
Ehegatten?
Das Bundesgericht stärkt mit
diesem Entscheid die Vertragsautonomie
der Ehegatten und
hält fest, dass Scheidungsvorausvereinbarungen
nicht ohne
weiteres ungültig sein müssen.
Es wäre indes weltfremd zu
meinen, dass sämtliche Ehegatten
jeweils in der Lage seien,
auf Augenhöhe über die Folgen
der von ihnen geschlossenen
oder zu schliessenden Ehe zu
verhandeln und gestützt auf
diese Verhandlungen Verträge
abzuschliessen, welche den
unterschiedlich gelagerten Interessen
beider Ehegatten gerecht
würden. Häufig stehen
Abhängigkeiten wirtschaftlicher,
emotionaler, sozialer oder migrationsrechtlicher
Natur einer Vertragsausgestaltung
auf Augenhöhe
entgegen. Zudem können
sich im Verlauf der gelebten Ehe
erhebliche Veränderungen in der
Erwerbsbiografie ergeben, welche
die seinerzeit geschlossene
und damals ausgewogene Vorausvereinbarung
nachträglich
als unangemessen erscheinen
lassen.
Allerdings wäre es auch nicht
zutreffend, Scheidungsvorausvereinbarungen
von vornherein
als einseitig eine Partei benachteiligende
Vereinbarungen
anzusehen, die nur aus einer
gewissen Naivität bzw. Abhängigkeit
heraus abgeschlossen
werden, ohne dass sich die
Ehegatten den Konsequenzen
eines solchen Vertragsschlusses
bewusst wären. Eine
frühzeitige und insbesondere
nach umfassender rechtlicher
Beratung abgeschlossene Vorausvereinbarung
kann nämlich
besser durchgedacht sein
als eine gerichtlich genehmigte
Scheidungsvereinbarung. Es
entspricht nämlich (leider) häufig
der Realität, dass Ehegatten
in der emotional aufgeladenen
und für sie belastenden Situation
nach der Trennung ihre eigenen
Interessen und damit die Folgen
eines Abschlusses einer umfassenden
Scheidungsverein-
Eheverträge müssen in
der Schweiz zwingend
öffentlich beurkundet
werden (Art. 184 ZGB).
2-2020 mandat