
13
RECHT & PRIVAT
2-2020 mandat
barung vor Gericht nicht richtig
abzuschätzen vermögen. Es ist
aus diesem Grund zu begrüssen,
dass Vorausvereinbarungen
grundsätzlich gültig abgeschlossen
werden können.
E) Die Crux mit der
gerichtlichen Genehmigung:
Die Abklärungspflicht
des
Gerichts
Die Gültigkeit einer Vorausvereinbarung
hat jedoch nicht ohne
weiteres zur Folge, dass diese
vom Gericht übernommen werden
müsste. Das Gericht spricht
die Scheidung gestützt auf eine
Vereinbarung der Ehegatten
(egal ob als Scheidungsvereinbarung
oder als Scheidungsvorausvereinbarung)
nur dann aus,
wenn diese «aus freiem Willen
und nach reiflicher Überlegung
geschlossen worden ist» und
die Vereinbarung «klar, vollständig
und nicht offensichtlich unangemessen
ist» (Art. 279 ZPO).
Scheidungsvereinbarungen und
Vorausvereinbarungen stehen
somit immer unter dem Vorbehalt
einer Inhalts- und Fairnesskontrolle
durch das Gericht.
Laut Bundesgericht ist eine
Vereinbarung über die Scheidungsfolgen
offensichtlich unangemessen,
wenn «sie in sofort
erkennbarer und eklatanter Art
und Weise von der gesetzlichen
Regelung abweicht und sich diese
Abweichung aus Billigkeitsüberlegungen
nicht rechtfertigen
lässt» (Bger. 5A_980/2018, E.
4.1). Dahinter steht also immer
eine Wertung. Je mehr sich die
wirtschaftliche Situation zwischen
Vertragsabschluss und
Ehescheidung verändert hat und
umso stärker die Vorausvereinbarung
von der gesetzlichen
Regelung der Scheidungsfolgen
abweicht, desto eher dürfte das
Gericht einer Vorausvereinbarung
wegen offensichtlicher Unangemessenheit
die Genehmigung
verweigern.
Das Gericht ist gehalten, die
Hintergründe des Vertragsabschlusses
einer Scheidungsvorausvereinbarung
in Erfahrung
lic. iur. Boris Züst
Rechtsanwalt und Fachanwalt
SAV Familienrecht, St.Gallen
Die Gerichte sind zur Wahrung
des Kindeswohls gehalten,
den Sachverhalt von
sich aus abzuklären (Untersuchungsgrundsatz)
und bei
der Regelung von Kinderbelangen
selbst an übereinstimmende
Parteianträge nicht
gebunden (Offizialmaxime).
zu bringen. Zudem wird dem
Gericht verstärkt auch die Pflicht
auferlegt, die wirtschaftliche Situation
bei Vertragsabschluss
mit derjenigen bei Ehescheidung
zu vergleichen. Erst wenn
sich nach Klärung dieser Fragen
abzeichnet, dass die nach reiflicher
Überlegung geschlossene
Vorausvereinbarung inhaltlich
nicht offensichtlich unangemessen
und vollständig ist, wird das
Gericht sie genehmigen. Selbstverständlich
stehen die Parteien
in der Pflicht, bei der Ermittlung
des Sachverhalts mitzuarbeiten,
ansonsten sie die Folgen der Beweislosigkeit
nach den üblichen
Beweisregeln zu tragen haben.
F) Inhaltliche Grenzen
von Scheidungs-
vorausvereinbarungen
Nicht nur die gerichtliche Genehmigung
setzt einer Scheidungsvorausvereinbarung
Grenzen.
Ganz allgemein sind bestimmte
Scheidungsfolgen der freien
Vertragsausgestaltung teilweise
oder weitgehend entzogen.
Vorab schliesst der das Kindesrecht
beherrschende Grundsatz
des Kindeswohls Vorausvereinbarungen
in Bezug auf die
Kinderbelange weitgehend aus.
Die Gerichte sind zur Wahrung
des Kindeswohls gehalten, den
Sachverhalt von sich aus abzuklären
(Untersuchungsgrundsatz)
und bei der Regelung
von Kinderbelangen selbst an
übereinstimmende Parteianträge
nicht gebunden (Offizialmaxime).
Diese Begrenzung der
Vertragsautonomie gilt auch
für den Kindesunterhalt (Bger.
5A_169/2012, E. 3.3).
Mit der Gesetzesrevision im
Jahr 2017 kam es zu einer
Verschiebung von Teilen des
nachehelichen Unterhalts des
hauptbetreuenden Elternteils in
den Kindesunterhalt (BGE 144
III 377). Mit diesem sogenannten
Betreuungsunterhalt sind der
Kindesunterhalt und der Unterhalt
des hauptbetreuenden Ehegatten
wirtschaftlich und rechtlich
so miteinander verknüpft,
dass sich die Zulässigkeit von
Vorausvereinbarungen wegen
der Offizialmaxime im Kindesrecht
in engen Grenzen halten
dürfte. Falls die Vertrags- der Familienplanung
zeitlich vorausgegangen
sein sollte, dürfte zudem
wegen der in der Zwischenzeit
eingetretenen Veränderungen
bei der Kinderbetreuung wohl
nur in sehr eingeschränkten
Konstellationen eine gerichtliche
Genehmigung überhaupt in Frage
kommen.
Beim Vorsorgeausgleich der
zweiten Säule (BVG) schränkt
der Gesetzgeber, im Gegensatz
etwa zur Rechtslage in
Deutschland, die
vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten
der Ehegatten
bei der Teilung
der während der
Ehe erworbenen
Guthaben der beruflichen
Vorsorge
ebenfalls deutlich
ein. Immerhin sind
hier Abweichungen
denkbar, falls
aufgrund der wirtschaftlichen
Lage
und der Vorsorgebedürfnisse
die Altersvorsorge
der Ehegatten anderweitig gewährleistet
ist bzw. eine faire Gesamtlösung
erzielt werden kann.
Damit beschränkt sich der
Regelungsbereich von Scheidungsvorausvereinbarung
in der
Praxis weitgehend auf die rein finanziellen
und von der Vertragsautonomie
zwischen den Ehegatten
umfassten Teilbereiche