
RECHT & UNTERNEHMUNG 19
2-2019 mandat
nen nur die wichtigsten Grundsätze
behandelt werden ohne
Anspruch auf Vollständigkeit.
1. Geschäftsübernahmevertrag
nach OR
(Singularsukzession)
a) Voraussetzungen
Im Rahmen der allgemeinen
Vertragsfreiheit besteht die
Möglichkeit, die Aktiven und
Passiven eines Geschäftsbereiches
mittels eines Geschäftsübernahmevertrages
nach
Obligationenrecht (OR) 2 zu veräussern.
Die zu übertragenden
Aktiven und Passiven werden
bei diesem Transaktionstyp
einzeln übertragen. Dies wird
daher als Einzelrechtsnachfolge
oder Singularsukzession
bezeichnet. Der Geschäftsübernahmevertrag
wird im OR
nicht als eigener Vertragstyp
speziell geregelt; meist dürfte
beim Geschäftsübernahmevertrag
der kaufvertragliche
Charakter im Vordergrund stehen,
weshalb grundsätzlich die
gesetzlichen Bestimmungen
zum Kaufvertrag 3 anwendbar
sind. Aus Beweisgründen
sollte der Geschäftsübernahmevertrag
schriftlich und nicht
nur mündlich abgeschlossen
werden. Falls mit dem Vertrag
auch Grundstücke übertragen
werden, so bedarf der entsprechende
Teil des Vertrages zwingend
der öffentlichen Beurkundung
4. Im Vertrag sollten alle
Aktiven und Passiven des zu
veräussernden Geschäftsbereichs
möglichst detailliert und
präzise bezeichnet werden; die
Auflistung der Assets kann beispielsweise
in einem Inventar
erfolgen.
Der Geschäftsübernahmevertrag
nach OR steht Unternehmen
aller Rechtstypen offen,
also insbesondere auch den
nicht im Handelsregister eingetragenen
Einzelunternehmen,
denen eine Umstrukturierung
nach den Bestimmungen des
FusG (Vermögensübertragung
oder Abspaltung) verwehrt
bleibt. Umgekehrt dürfen sich
aber auch all jene Unternehmen
dieser Regelungsvariante
bedienen, welche im Handelsregister
eingetragen sind und
die Übergabe auch mittels
Vermögensübertragung oder
Abspaltung nach FusG regeln
könnten 5.
b) Rechtswirksamkeit
Mit dem Abschluss des Vertrages
gehen die zu veräussernden
Aktiven und Passiven
des Geschäftsbereiches nicht
automatisch auf den Erwerber
über. Vielmehr müssen diese
einzeln nach den entsprechenden
Vorschriften auf den Erwerber
übertragen werden (Prinzip
der Singularsukzession) 6. Konkret
bedeutet dies, dass für
die Übertragung beweglicher
Sachen die Übergabe des Besitzes
(Art. 714 ZGB) und für
die Übertragung von Grundstücken
die Eintragung in das
Grundbuch (Art. 656 ZGB) nötig
sind. Wertpapiere sind einzeln
mit Indossament oder allenfalls
durch Abschluss eines
schriftlichen Zessionsvertrages
7 zu übertragen. Forderungen
sind ebenso mittels eines
schriftlichen Zessionsvertrages
(Art. 164ff. OR) zu übertragen.
Auch die Schulden können nur
einzeln und mittels Zustimmungen
der jeweiligen Gläubiger
nach den Bestimmungen der
externen Schuldübernahme
(Art. 176ff. OR) übertragen
werden. Schliesslich können
die mit dem Geschäftsbereich
verbundenen Verträge nur einzeln
und mit dem jeweiligen
Einverständnis der anderen
Vertragspartei auf den Erwerber
übertragen werden 8. Die
rechtsgültige Umsetzung des
Verkaufs kann demnach vor
allem bei einer sehr grossen
Anzahl von verschiedenartigen
Aktiven und Passiven aufwändig
sein. Falls und soweit die
Formvorschriften zur Übertragung
nicht eingehalten werden,
verbleibt das Eigentum an den
Assets bzw. die Schuld beim
Veräusserer.
c) Vor- und Nachteile
Der Geschäftsübernahmevertrag
nach OR hat den Vorteil,
dass dieser nicht beim
Handelsregister eingereicht
werden muss und somit keine
Publizität besteht. Dritte
erhalten keine Information zur
vorgenommenen Transaktion,
was vor allem bei sensiblen
vertraulichen Informationen im
Vertrag wichtig sein kann. Das
Zustimmungserfordernis der
Gläubiger und Vertragspartner
zur Übertragung kann ein
Nachteil sein, die Einholung
dieser Zustimmungen schafft
andererseits klare Verhältnisse.
Die fehlende solidarische Weiterhaftung
des übertragenden
Unternehmens für Schulden ist
ein weiterer Vorteil dieses Regelungstypus.
Nachteilig kann
bei sehr umfangreichen Assets
das Erfordernis der Singularsukzession
sein.
d) Exkurs: Spezialfall
Art. 181 OR
Unternehmen, welche nicht im
Handelsregister eingetragen
sind, also beispielsweise Einzelunternehmen
oder Kollektivgesellschaften,
können den
Geschäftsbereich nach den
speziellen Bestimmungen von
Art. 181 OR übertragen 9. Danach
können die Schulden bzw.
die Passiven unter erleichterten
Bedingungen gesamthaft auf
den Erwerber übertragen werden.
Für den Schuldnerwechsel
genügt es, dass die Übernahme
den Gläubigern mitgeteilt
wird oder in öffentlichen Blättern
ausgekündigt worden ist 10.
2 Bundesgesetz betreffend die
Ergänzung des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches, Fünfter Teil:
Obligationenrecht, SR 220.
3 Vgl. Art. 184 ff. OR.
4 Art. 216 Abs. 1 OR.
5 BSK-FusG-Malacrida, Art. 69 N 13
(Der Wortlaut von Art. 181 Abs. 4
OR ist diesbezüglich missverständlich
und zu eng); BSK-OR-Tschäni,
Art. 181 N 6.
6 Vgl. BSK-OR-Tschäni, Art. 181 N 1.
7 Die Übergabe mittels Zession ist
dann geboten, falls für das Wertpapier
(z.B. Aktie) keine physische
Urkunde ausgegeben ist.
8 Für Miet- und Arbeitsverträge gelten
gesetzliche Spezialbestimmungen,
vgl. Art. 261 OR, Art. 263 OR sowie
Art. 333 OR.
9 Art. 181 Abs. 4 OR e contrario.
10 Art. 181 Abs. 1 OR.