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RECHT & PRIVAT
2-2021 mandat
Ab dem 1. Januar 2021 darf
auf Autobahnen und Autostrassen
auf der rechten Spur
neu auch dann vorbeigefahren
werden, wenn sich rechts noch
keine Kolonne gebildet hat. Die
neue Regelung setzt einzig voraus,
dass sich auf dem linken
(oder bei dreispurigen Autobahnen
auf dem linken und/
oder mittleren) Fahrstreifen
eine Kolonne gebildet hat.11
Dadurch soll der Verkehr auf
beiden Spuren länger fliessen.
Die neue Regelung weist ausdrücklich
darauf hin, dass das
Rechtsvorbeifahren mit der
gebotenen Vorsicht zu erfolgen
hat, weil das Rechtsfahrgebot
weiterhin gilt und damit
gerechnet werden muss,
dass von der Kolonne auf dem
Überhol- auf den Normalstreifen
gewechselt wird. Umgekehrt
hat der Fahrzeuglenker
auf dem mittleren oder linken
Fahrstreifen im Kolonnenverkehr
bei einem Fahrspurwechsel
mit rechts vorbeifahrenden
Fahrzeugen zu rechnen.
Die beim Rechtsvorbeifahren
geforderte Vorsicht verlangt
gemäss der Erläuterung des
Bundesamtes für Strassen,
dass die Geschwindigkeitsdifferenz
zur Kolonne auf dem
Streifen links in einem engen
Rahmen bleibt.12 Die Gerichte
werden den Begriff der gebotenen
Vorsicht im Rahmen der
Rechtsanwendung definieren
müssen. Hierbei haben sie angemessen
zu berücksichtigen,
dass der Fahrzeuglenker, der
von der Überhol- auf die Normalspur
wechseln will, auf die
ihm nachfolgenden Fahrzeuge
Rücksicht nehmen muss.13
Neu darf immer dann rechts
vorbeigefahren werden, wenn
der linke Fahrstreifen mit einer
Sicherheitslinie abgegrenzt
ist, sodass links fahrende
Fahrzeuge die Fahrspur nach
rechts nicht wechseln dürfen.14
Nach dem alten Recht war das
Rechtsvorbeifahren nur auf
dem Beschleunigungsstreifen
von Einfahrten bis zum Ende
der Doppellinien-Markierung
zulässig. Die neue Erweiterung
von Art. 36 Abs. 5 Bst. c VRV
lic. iur HSG Debora Bilgeri,
Rechtsanwältin und öffentliche
Die neue Regelung weist
ausdrücklich darauf hin,
dass das Rechtsvorbeifahren
mit der gebotenen
Vorsicht zu erfolgen hat,
weil das Rechtsfahrgebot
weiterhin gilt und damit
gerechnet werden muss,
dass von der Kolonne auf
dem Überhol- auf den
Normalstreifen gewechselt
wird.
macht durchaus Sinn, da bei
ausgezogener Sicherheitslinie
ohnehin kein Spurwechsel erfolgen
darf.
Zu beachten ist, dass alle
anderen Fälle des Rechtsvorbeifahrens
weiterhin verboten
bleiben. Insbesondere das
klassische Rechtsüberholen,
mit Ausschwenken aus der
Kolonne und Wiedereinbiegen,
bleibt nach wie vor untersagt.
Seit dem 1. Januar 2021 wird
das Rechtsüberholen auf Autobahnen
und Autostrassen
mit einer Ordnungsbusse in
Höhe von CHF 250 geahndet.
15 Die von der Lehre über
Jahre als zu streng kritisierte
bundesgerichtliche Rechtsprechung,
wonach Rechtsüberholen
auf der Autobahn objektiv
immer und subjektiv in der
Regel schwer wog, erfährt mit
der neuen Sanktionierung im
Ordnungsbussenverfahren die
längst fällige Korrektur. Diese
wichtige Neuerung soll zum
Ausdruck bringen, dass nicht
alle Fälle von Rechtsüberholen
als grobe Verkehrsregelverletzung
zu qualifizieren sind.
Diese von der bisherigen Praxis
stark abweichende Beurteilung
hat administrativrechtlich
zur Folge, dass Rechtsüberholen
neu nicht per se als
schwere Widerhandlung nach
Art. 16c SVG eingestuft wird
und somit nicht zwingend zu
einem Führerausweisentzug
führen muss.16 Ferner entfällt
der Vorwurf der Grobfahrlässigkeit
und damit eine Kürzung
der Versicherungsleistungen.
Höchstgeschwin-
digkeit für leichte
Anhängerzüge
Seit dem 1. Januar 2021 dürfen
Personen- oder Lieferwagen
mit Anhängern bis zu 3.5
Tonnen auf Autobahnen und
Autostrassen höchstens mit
100 km/h und nicht mehr wie
anhin nur mit 80 km/h fahren.
17 Anhänger, Zugfahrzeug
und Bereifung müssen für diese
Geschwindigkeit geeignet
Notarin, St. Gallen
sein. Die Klärung, ob diese
Voraussetzungen erfüllt sind,
obliegt der Verantwortung des
Fahrzeugführers. Eine spezielle
Kennzeichnung des Anhängers
ist nicht notwendig.
Fazit
Mit dem obligatorischen Reiss-
verschlussverkehr und den
erweiterten Möglichkeiten des
zulässigen Rechtsvorbeifahrens
ist der Grundstein
für einen flüssigeren
Verkehrsablauf
gelegt. Indes werden
die neuen Verkehrsregeln
bisher nur
vereinzelt und zögerlich
angewendet. Es
bleibt abzuwarten,
ob mit zunehmender
Umsetzung der
gewünschte Effekt
trotz immer höherem
Verkehrsaufkommen
erreicht wird.
11 Art. 36 Abs. 5 lit. a VRV.
12 Erläuterungen des Bundesamtes
für Strassen ASTRA zur Änderung
der Verkehrsregeln und Signalisationsvorschriften
vom 10.12.2019
zu Art. 36 Abs. 5 Bst. a und c VRV.
13 Art. 34 Abs. 3 SVG.
14 Art. 36 Abs. 5 lit. c VRV.
15 Anhang 1 Ziff. 314.3 OBV.
16 Erläuterungen des Bundesamtes
für Strassen ASTRA zur Änderung
der Verkehrsregeln und Signalisationsvorschriften
vom 10.12.2019
zu Anhang 1 Ziff. 314.3 OBV.
17 Art. 5 Abs. 2 VRV.