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RECHT & PRIVAT
Die anspruchsberechtigte
Person kann ab Fälligkeit
des Versicherungsanspruches
Akontozahlungen bis
zur Höhe des unbestrittenen
Betrages verlangen.
2-2021 mandat
lic. iur. Roland Zahner
Rechtsanwalt, Fachanwalt
SAV Haftpflicht- und Versicherungsrecht,
St.Gallen
MLaw Michael Walder,
Rechtsanwalt, St.Gallen
7. Obliegenheitsverletzungen
–
Kausalitätserfordernis
Bisher konnten die Versicherer
bei gegebener Obliegenheitsverletzung
die damit verbundenen
Sanktionen unabhängig
davon vornehmen, ob sich
die Obliegenheitsverletzung
nachteilig ausgewirkt hat.
In Art. 45 Abs. 1 lit. b nVVG
wird dem Versicherten neu die
Möglichkeit geboten, nachzuweisen,
dass die Verletzung
einer seiner Obliegenheiten
keinen Einfluss auf den Eintritt
des befürchteten Ereignisses
und den Umfang der vom Versicherungsunternehmen
geschuldeten
Leistungen hatte.
Damit wurde eine begrüssenswerte
Entlastungsmöglichkeit
geschaffen – die Beweislast
beliess der Gesetzgeber aber
beim Versicherungsnehmer.
8. Widerrufsrecht
Eine schon im bundesrätlichen
Entwurf vorgesehene Neuerung
sieht vor, dass der Versicherungsnehmer
seine Offerte
zum Vertragsabschluss bzw.
das Akzept binnen 14 Tagen
ohne Verpflichtung widerrufen
kann (Art. 2a und 2b nVVG).
Das Widerrufsrecht gleicht der
bekannten Regelung betreffend
Widerruf bei Haustürgeschäften
und ähnlichen Verträgen
(Art. 40a ff. OR).
9. Vorvertragliche
Informationspflichten
Der Ausbau der vorvertraglichen
Informationspflichten
des Versicherers wurde in Art.
3 nVVG erweitert. U.a. muss
der Versicherer neu für jede
versicherte Leistung angeben,
ob es sich um eine Schaden-
oder eine Summenversicherungsleistung
handelt, was
Prozesse zur Klärung der Frage
der Versicherungsart wirksam
verhindern wird (lit. b).12
Ebenso hat der Versicherer
über das soeben erläuterten
Widerrufsrecht sowie dessen
Form und Befristung zu informieren
(lit. h).
10. Möglichkeit der
Kündigung oder
Prämienreduktion
bei Gefahrsminderung
Neu ist die Regelung in Art.
28a nVVG, welche vorsieht,
dass der Versicherungsnehmer
bei einer wesentlichen Gefahrsminderung
berechtigt ist,
den Vertrag mit einer Frist von
vier Wochen schriftlich, oder
in einer anderen Form, die den
Nachweis durch Text ermöglicht,
zu kündigen oder eine
Prämienreduktion zu verlangen.
Dies schafft eine gewisse
Gleichbehandlung mit dem
Versicherer, der wie bis anhin
bei Gefahrserhöhung ein Kündigungsrecht
hat (Art. 30 VVG).
11. Ordentliches
Kündigungsrecht
Gemäss Art. 35a nVVG können
alle Versicherungsverträge
neu unabhängig von der vereinbarten
Vertragsdauer nach
drei Jahren und anschliessend
jährlich gekündigt werden.
Dieses Recht steht in der Lebensversicherung
sowie der
Zusatzversicherung zur sozialen
Krankenversicherung nur
den Versicherten zu.13
12. Formvorschriften
Der Gesetzgeber hat weitgehend14
das Erfordernis der
Schriftform im Sinne von Art.
12 ff. OR auf jenes der Textform
reduziert. Textform gemäss
dem neuen VVG bedeutet
«schriftlich oder in einer
anderen Form, die den Nachweis
durch Text ermöglicht»,
womit keine Unterschrift mehr
nötig ist. Dies ist vor allem im
Hinblick auf den elektronischen
Geschäftsverkehr relevant. Die
Schriftform gilt u.a. weiterhin
für die Bestätigung einer vorläufigen
Deckung, die Kündigung
bei Gefahrsminderung
und den Kündigungsverzicht
nach schriftlicher Anzeige einer
Gefahrserhöhung.
12 Fuhrer (Fn. 4), S. 43
13 Lebensversicherung: Art. 35a Abs. 3
i.V.m. Art. 89 nVVG.
14 Ausnahmen, für welche u.a. weiterhin
die Schriftform gilt: Bestätigung
einer vorläufigen Deckung (Art. 9),
Kündigung bei Gefahrsminderung
(Art. 28a), Kündigungsverzicht nach
schriftlicher Anzeige einer Gefahrserhöhung
(Art. 32 Ziff. 4), Kündigung
durch den Versicherer (Art. 54).