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RECHT & PRIVAT
2-2021 mandat
sicherer dem Geschädigten
gegenüber Einwendungen und
Einreden aufgrund des Gesetzes
oder des Vertrages entgegenhalten
kann.
In Fällen mit obligatorischer
Haftpflichtversicherung kann
der geschädigte Dritte neuerdings
vom haftpflichtigen Versicherten
oder von der zuständigen
Aufsichtsbehörde die
Nennung des Versicherungsunternehmens
verlangen. Dieses
hat Auskunft zu geben über
Art und Umfang des Versicherungsschutzes.
Die Botschaft
äussert sich jedoch nicht dazu,
welche Behörde als zuständige
Aufsichtsbehörde gilt.3
2. Anzeigepflichtverletzung
Viele Versicherte mögen davon
ausgehen, dass mit dem
korrekten Beantworten der
Antragsfragen ihre vorvertragliche
Pflicht abschliessend erfüllt
ist. Die bisher geltende Pflicht,
Änderungen von Gefahrstatsachen,
die zwischen Ausfüllen
des Antragsformulars und dem
Zustandekommen des Vertrages
eintreten, dem Versicherer
zu melden, dürfte weitgehend
unbekannt sein.4 Im neuen VVG
findet sich eine insofern begrüssenswerte
Änderung, als dass
für die Beurteilung der Vollständigkeit
bzw. der Richtigkeit der
Deklaration von Gefahrentatsachen
neu der Zeitpunkt der
Beantwortung der
Risikofragen und
nicht wie bisher
der Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses
gilt. Die problematische
und
bei Nichteinhalten
f o l g e n s c h w e re
Nachmeldepflicht
entfällt damit.5
Von erheblicher Bedeutung ist
zudem die – im bundesrätlichen
Entwurf nicht vorgesehene –
eingeführte Bindung des Ausmasses
allfälliger Leistungskürzungen
an einen kausalen
Zusammenhang zur Anzeigepflichtverletzung
(Kausalitätserfordernis).
Das bedeutet,
dass die Leistungspflicht nur
soweit erlischt, als deren Eintritt
oder Umfang durch die
nicht oder unrichtig angezeigte
erhebliche Gefahrentatsache
beeinflusst worden ist (Art. 6
Abs. 3 nVVG).6
3. Möglichkeit der Rückwärtsversicherung
In Art. 10 nVVG wird neu die
Möglichkeit einer Rückwärtsversicherung
geschaffen. Dies
ist insbesondere mit Blick auf
die damit mögliche Versicherung
von Rückfällen bei Krankenzusatzversicherungen
zu
begrüssen. Bislang war es
aufgrund des Rückwärtsversicherungsverbotes
nämlich
nicht möglich, Konstellationen
zu versichern, in denen eine zu
Rückfällen neigende Krankheit
vor Abschluss des Versicherungsvertrages
ausgebrochen
war, längere Zeit ohne Symptome
bestand und dann unter
Geltung des neu abgeschlossenen
Versicherungsvertrages
erneut ausbrach.7
4. Pflicht zur Leistung
von Akontozahlungen
Eine aus Praktikersicht sehr
hilfreiche Neuerung findet sich
in Art. 41 Abs. 1 nVVG. Danach
kann die anspruchsberechtigte
Person ab Fälligkeit
des Versicherungsanspruches
Akontozahlungen bis zur Höhe
des unbestrittenen Betrages
verlangen. Damit soll das «Aushungern
» der Geschädigten zur
Annahme einer möglicherweise
unzureichenden Entschädigung
verhindert werden.8
5. Verjährung
Eine längst fällige Änderung fin
det sich in Art. 46 Abs. 1 nVVG,
wonach die bisherige zweijährige
Verjährungsfrist auf fünf
Jahre verlängert wird. Dies betrifft
jedoch gemäss Abs. 2 Forderungen
aus dem Vertrag der
kollektiven Krankenversicherung
nicht. Dort gilt weiterhin
eine zweijährige Verjährungsfrist,
was in der Lehre zu Recht
kritisiert wird.9 Nicht angepasst
wurde auch die ungünstige
Regelung, wonach die Verjährungsfrist
mit dem Eintritt der
Tatsache beginnt, welche die
Leistungspflicht begründet.
Damit kann der Anspruch weiterhin
verjährt sein, bevor der
Versicherte überhaupt Kenntnis
von seinem Schaden erhielt
und damit in der Lage war, diesen
geltend zu machen.
6. Nachhaftung für hängige
Versicherungsfälle
Vertragsbestimmungen, welche
ein Versicherungsunternehmen
berechtigen, bei Beendigung
des Vertrags nach
Eintritt des befürchteten Ereignisses
bestehende periodische
Leistungsverpflichtungen als
Folge von Krankheit oder Unfall
bezüglich Dauer oder Umfang
einseitig zu beschränken
oder aufzuheben, sind neu per
Kraft des Gesetzes nichtig (Art.
35c nVVG), womit die bisherige
Rechtsprechung des Bundesgerichts10
kodifiziert wird.
Brisant ist dabei, dass der
bundesrätliche Entwurf solche
Klauseln entgegen der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung
neu zulassen wollte.11
3 Botschaft zur Änderung des VVG
vom 28. Juni 2017, BBl 2017, S.
5089 ff., S. 5128.
4 Fuhrer, Deutliche Verbesserungen
für die Kunden von Versicherungen,
Plädoyer 2/2021, S. 44.
5 Botschaft zur Änderung des VVG
vom 28. Juni 2017, BBl 2017, S.
5089 ff., S. 5112; vgl. Art. 4 Abs. 1
nVVG und Art. 6 Abs. 1 nVVG.
6 Fuhrer (Fn. 4) S. 45 mit Beispiel
und weiterführenden Hinweisen
in Fn. 41.
7 Vgl. Schmid, Die VVG-Revision aus
Sicht der Anwaltschaft, HAVE 2020,
S. 305-307, S. 305 f.
8 Vgl. Schmid (Fn. 7), S. 306.
9 Krauskopf, Das Verjährungsrecht im
Gesetzesentwurf der Teilrevision des
VVG: auf halber Frist stehen geblieben!,
HAVE 2017, S. 450 ff., S. 454.
10 BGE 135 III 225.
11 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. l E-VVG 2017.
Zu den praktisch wohl bedeutendsten
Neuerungen
zählt das direkte Forderungsrecht
des Geschädigten
gegen den Haftpflichtversicherer
des Schädigers