
Netzwerk – Getroffen im «Gleis 8»
rungswissen. Es geht um evidenzbasierte
Pflege, die ihre Erkenntnisse
aus der Wissenschaft zieht. Ein weiterer
Aspekt ist der Nachversorgungsprozess,
der eine immer grössere
Rolle spielt. Ich muss meine Patienten
unterrichten, wie es zu Hause weitergeht,
wie sie sich selbst pflegen können.
Es geht je länger je mehr darum,
das Selbstmanagement zu fördern.
Legitimiert das die Akademisierung
der Pflege?
Vosseler: Der Fachkräftemangel und
der doppelte demografische Wandel
spitzen sich zu. Wenn wir eine professionelle
Pflege mit hoher Qualität wollen,
ist die akademische Pflegeausbildung
unabdingbar.
Aber besser ausgebildetes Personal
kostet mehr. Viele Pflegeinstitutionen
sind bereits heute
finanziell
am Limit.
Vosseler: Gerade in diesem Bereich
sehe ich das Potenzial. Nehmen wir
die dritte Phase einer chronischen
Krankheit als Beispiel. Das ist die stabile
Phase. Akademisch ausgebildetes
Personal ist fähig, diese Phase im Pflegeprozess
zu verlängern, wodurch der
Patient länger zu Hause bleiben kann.
Oder sie erkennen mögliches Rehabilitationspotenzial
und Massnahmen.
Bachelor-Studierende denken ganzheitlicher.
Da gehört auch die ökonomische
Sicht dazu.
Der Berufsverband der Pflege
spricht von aktuell 11'000 unbesetzten
Stellen im Pflegebereich.
Was können wir dagegen tun?
Vosseler: Grundsätzlich müssen wir
alles dafür tun, die Gesetzgebung
so anzupassen, damit das Pflegepersonal
ihre ganzen PS auf die Strasse
bringen kann. Mit dem JMM-SG gehen
wir genau in diese Richtung: Die
Pflege kann in der Zusammenarbeit
ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zeigen.
Eine andere wäre, die Autonomie
von Pflegenden zu erhöhen, um
das Berufsbild den erlernten Kompetenzen
entsprechend aufzuwerten.
Zum Beispiel, indem sie Therapiefreiheit
erhalten und dadurch Therapien
nicht nur vorschlagen, sondern auch
verordnen können. Die Pflege braucht
dieselbe Legitimation für ihre Abschlusskompetenzen
wie die Medizin.
Was muss die Gesundheitsbranche
tun, um mehr Leute vom
Pflegeberuf
zu überzeugen?
Vosseler: Wir müssen an Berufsmittelschulen
verstärkt das moderne Pflegebild
vermitteln: viel Kontakt zu Menschen,
vielseitige Ausbildungs- und
Karrieremöglichkeiten, ein sinnstiftender
Beruf, eine hohe Jobsicherheit.
Was wünschen Sie sich für die
Pflege in Zukunft?
Vosseler: Eine professionelle, qualitativ
hochstehende Pflege, die in der
JOINT MEDICAL
MASTER (JMM-SG)
Der JMM-SG ist ein neues, zukunftsgerichtetes
Humanmedizin
Studium der Universitäten
Zürich und St.Gallen. Mit diesem
Lehrgang kann die Ostschweiz ihre
eigenen Ärztinnen und Ärzte ausbilden.
Die FHS St.Gallen ist zentrale
Partnerin für das Vertiefungsthema
der Interprofessionalität.
Die Studierenden des JMM-SG und
die Pflege-Studierenden der FHS
besuchen dafür gemeinsame Module.
Dieses Modell ist schweizweit
einzigartig. Weitere wichtige Partner
des JMM-SG sind das Kantonsspital
St.Gallen KSSG sowie ambulante
Praxen und Spitäler der
Region wie zum Beispiel das Ostschweizer
Kinderspital oder die
Geriatrische Klinik St.Gallen.
Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen
das Bestmögliche
für Patientinnen und Patienten herausholt
und dafür auch die entsprechende
Legitimation auf gesetzlicher
Ebene erhält. So können wir dem
Fachkräftemangel spürbar entgegenwirken.
41
SUBSTANZ