
Erkenntnis – Fanarbeit St.Gallen
am Spiel dabei ist damals Gino Frei,
Fussballfan und Student der Sozialen
Arbeit. Und er fragt sich zum ersten
Mal: Weshalb können solche Dynamiken
an Fussballspielen nicht unterbunden
werden? Und weshalb gibt
es keine Fanarbeit, keine Art Jugendarbeit
für Fussballfans? Das Thema
lässt ihn nicht mehr los: 2009 beginnt
Frei an der FHS mit dem Praxisprojekt
«Fanarbeit beim FC St.Gallen».
Zwei Jahre später wird die Fanarbeit
offiziell gegründet, 2012 mit einem
dreijährigen Pilotversuch gestartet,
2014 schliesslich bewilligt das St.Galler
Stadtparlament die Weiterführung
auf unbestimmte Zeit.
Dort sein, wo die Fans sind
Das Team der Fanarbeit St.Gallen
besteht heute aus drei Personen und
wird geleitet von Thomas Weber, Fanarbeiter
der ersten Stunde, ab und zu
auch «Kurvenmami» genannt. «Die
Fanarbeit ist eine neutrale Stelle, an
die sich Fans, der Verein, Fanverantwortliche,
Polizei und Politik wenden
können», erklärt der Sozialarbeiter.
«Wir vermitteln und vernetzen, beraten
und begleiten.» Die Angebote der
Fanarbeit sind vielfältig: Fanarbeiter
sind bei Heimspielen in der Kurve
präsent, begleiten Fans im Extrazug
zu Auswärtsspielen, im Rahmen des
«U16 Projekts» auch ganz junge. Zudem
hat die Fanarbeit ein Projekt
DER EVALUATIONSBERICHT ZEIGT:
DIE FANARBEIT WIRKT
Das Institut für Soziale Arbeit der FHS hat die Pilotphase der Fanarbeit von 2012
bis 2014 unter der Leitung von Martin Müller umfassend untersucht. Dafür wurde
ein Befragungsinstrument entwickelt, mit dem zwei Interviewreihen durchgeführt
wurden, sowie unterschiedliches Datenmaterial wie Statistiken, Matchberichte,
Protokolle und Artikel analysiert. Der Evaluationsbericht, der 2014 erschien,
stellte der Fanarbeit ein sehr gutes Zeugnis aus. «Die Ergebnisse der Untersuchungen
zeigen, dass das Zusammenspiel aller Akteure im gesamten Wirkungsgefüge
ein entscheidender Erfolgsfaktor für einen konstruktiven Umgang zwischen
Fans, Polizei, FC St.Gallen, Stadionbetreibern und möglichen weiteren Akteuren
ist», heisst es. Dabei nähmen die Fanarbeiter die wichtige Rolle einer intermediären
Instanz ein, indem sie Wahrnehmungen verschiedener Gruppen «übersetzen
», vermitteln und gegenseitiges Vertrauen fördern würden. Von allen
Seiten
sei bestätigt worden, dass in der Beziehung zwischen Fans, Polizei, FC und
Stadionbetreibern in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte und eine wesentliche
Entspannung haben erzielt werden können. «Dies zeigt sich unter anderem
auch an deutlich tieferen Aufwänden für die Sicherheitsmassnahmen.»
Eine Besonderheit der Fanarbeit sei, dass sie ein bestimmtes Segment Jugendlicher
erreiche, welches sonst kaum durch die Jugendarbeit erreichbar sei. «Der
nahe Kontakt der Fanarbeiter bietet hier die Chance, jugendliche Fans niederschwellig
zu adressieren und gegebenenfalls an weiterführende Beratungen zu
triagieren.» Basierend auf allen Erkenntnissen empfahl das Institut für Soziale
Arbeit unter anderem folglich, die Fanarbeit «mindestens im gleichen Rahmen»
weiterzuführen. (mke)
gegen
Littering lanciert, bietet Beratung
bei persönlichen Problemen,
hält Vorträge, macht Schulbesuche
und gibt Fans mit Stadionverbot im
Rahmen des «Projekt Chance» die
Möglichkeit, ihr Verhalten positiv zu
verändern und ihr Stadionverbot zu
verkürzen. Und schliesslich sind die
Sozialarbeiter dort, wo sich die Fans
aufhalten: mehrmals wöchentlich im
Fanlokal Bierhof.
«Begonnen haben wir 2012 aber ohne
Büro, wir hatten nicht mal einen Laptop
», erinnert sich Thomas Weber. Er
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SUBSTANZ